Bremen. Ein Versicherungsunternehmen aus Bremen will eine „Führerscheinverlustversicherung“ anbieten. Selbst bei Alkoholfahrten wird gezahlt.

“Einer rast, zwei sterben“, „Tipp, tipp, tot“, „Marie (†38), abgelenkt durch eine SMS“ – mit der Kampagne „Runter vom Gas“ setzt sich das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) seit Jahren für mehr Sicherheit im Straßenverkehr ein. Ein Versicherungsanbieter aus Bremen macht indirekt nun genau das Gegenteil.

Die ias-Unternehmensgruppe will künftig eine so genannte „Führerscheinverlustversicherung“ anbieten. Das heißt, Verkehrsteilnehmern, die für die Dauer von bis zu drei Monaten ein Fahrverbot erteilt bekommen, werden von der ias die Kosten für eine alternative Beförderung, etwa durch Taxifahrten oder einen Chaffeur, erstattet. In bestimmten Fällen können die Versicherten so während des Fahrverbots bis zu 10.000 Euro von der Versicherung bekommen.

Versicherung zahlt auch bei Alkohol am Steuer

Den Versicherungsschutz gibt es für eine jährliche Pauschale von 300 Euro. Der gewährte Schutz greift demnach bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei Führerscheinentzugs wegen Auffahrens oder ungenügendem Abstand. Aber auch bei Handynutzung, Vorfahrtsverletzung, vorschriftswidrigem Verhalten beim Ausweichen, Überholen und Begegnen sowie beim Abbiegen, Wenden und der Benutzung einer falschen Fahrbahn.

Vor allem ist aber auch dann noch Schutz gewährt, wenn der Versicherte den Führerschein wegen Alkohols am Steuer bis zu einem Promillewert von 1,09 Prozent verloren hat. „Die Versicherung deckt ausschließlich leichte Vergehen ab, wie z.B. mal eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder eine Vorfahrtverletzung“, sagt Thomas Schrader, geschäftsführender Gesellschafter der ias unserer Redaktion. Wer mehr als drei Monate seinen Führerschein abgeben muss, sei nicht von der Versicherung geschützt.

Grünen-Sprecherin: Bußgeldkatalog ist ein Witz

„Von einer solchen Versicherung halte ich gar nichts. Der Entzug der Fahrerlaubnis soll doch gerade ein Vergehen wie alkoholisiertes oder zu schnelles Fahren bestrafen“, sagt Philipp Opfermann, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. Durch eine solche Versicherung würden die Sanktionsmöglichkeit ausgehebelt. „Das lädt doch gerade dazu ein, sich nicht an geltende Vorschriften zu halten.“

Auch Daniela Wagner, Sprecherin für Verkehrssicherheit der Grünen im Bundestag, kritisiert die Versicherung: „Wer mit dem Auto das Leben und die Gesundheit anderer gefährdet, für den muss eine Strafe abschreckend wirken“. Der deutsche Bußgeldkatalog sei diesbezüglich ein Witz. Wagner fordert deshalb höhere Bußgelder gegen Raser und Drängler.

10.000 Euro, um mit Taxi oder Chauffeur zu fahren

Wie die ias auf ihrer Homepage angibt, zahlt die Versicherung beim Verlust der Fahrerlaubnis von bis zu einem Monat 5000 Euro, bei bis zu zwei Monaten 7500 Euro und bei bis zu drei Monaten 10.000 Euro.

Das Unternehmen wirbt damit, dass man durch die Versicherung auch vorbeugen könne, durch den Entzug der Fahrerlaubnis auch die Arbeitsstelle zu verlieren. Außerdem könne man so „ein mühsames Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel“ verhindern, heißt es dort. Als alternative Beförderungsmittel gelten Schrader zufolge sowohl Bahnen als auch Taxis und Chauffeure.

„Der Schutz der eigenen Mobilität ist das eine, der Schutz anderer Verkehrsteilnehmer ist das andere“, sagt Opfermann. Im Umkehrschluss heiße eine solche Versicherung, dass Leute, die sich die Versicherung leisten können, fahren könnten wie sie wollen – und der eigentliche Strafe entgehen könnten. Moralisch ist das für Opfermann höchst bedenklich.

Versicherer: Schon jetzt Interessenten

Der Anbieter der Versicherung hält dagegen. Man gehe nicht davon aus, dass die Autofahrer schneller Grenzen überschreiten, bloß weil sie den Schutz der Versicherung genießen, sagte Schrade. Die Idee habe der Versicherer aus England importiert. Dort existiere ein solcher Schutz schon lange und habe sich Schrader zufolge auch bewährt.

Die ias will die „Führerscheinverlustversicherung“ so schnell wie möglich anbieten. Auf der Homepage heißt es derzeit noch „coming soon“, wegen eines technischen Problems, meint Schrader. Schon jetzt hätten sich Interessenten gemeldet.

Ähnliche Vorhaben in Österreich verboten

In Österreich hatte der Versicherungsmakler Walter Gau 2004 versucht, einen Versicherungsschutz gegen Vergehen bei Verkehrsübertretungen anzubieten. Für 270 Euro wollte der ehemalige FPÖ-Landtagsabgeordnete die so genannte Supergau-Crazy-Card verkaufen. Damals sollte aber nur bei Temposünden bis zu 40 km/h Überschreitung gezahlt werden.

Die österreichische Finanzmarktaufsicht hatte das Angebot damals verboten und bezog sich auf das Urteil des Amts für Volkswirtschaft in Liechtenstein, das den Vertrieb der Supergau-Crazy-Card untersagte.