Genua. Die Suche nach Vermissten in Genua geht weiter. Drei Tage nach dem Einsturz der Autobahnbrücke reagierte auch eine andere Stadt.
Italienische Einsatzkräfte haben nach dem Brückeneinsturz von Genua mit Dutzenden Toten die auf den Resten der Brücke noch stehenden Fahrzeuge geborgen. Darunter war auch der grüne Lastwagen, dessen Fahrer bei der Katastrophe am Dienstag wenige Meter vor der Abbruchstelle bremsen konnte. Die Fahrzeuge wurden am späten Donnerstagabend entfernt. Lokale Medien zeigten ein Video von dem Lastwagen am Abgrund.
Nach dem Unglück in Genua hat die süditalienische Stadt Benevento eine ihrer Brücken für den Verkehr geschlossen. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, schrieb Bürgermeister Clemente Mastella am Freitagnachmittag bei Facebook.
Wie das in Genua eingestürzte Viadukt ist auch die in den 50er-Jahren erbaute San-Nicola-Brücke in Benevento das Werk des Ingenieurs Riccardo Morandi (1902-1989). Auch andere Städte in Italien haben Prüfungen von Morandi-Brücken angekündigt, darunter Rom, Florenz und Agrigent auf Sizilien.
Die Staatsanwaltschaft in Genua befürchtet weiterhin, dass sich noch zahlreiche Vermisste unter den Trümmern der eingestürzten Brücke befinden. „Es könnte noch zehn bis 20 vermisste Personen geben“, so der leitende Staatsanwalt Francesco Cozzi am Donnerstag.
Die italienische Polizei hat die Zahl der Todesopfer inzwischen auf 38 präzisiert. Zuvor war von 39 Toten die Rede, die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch sogar von 42 Opfern gesprochen. Für die Toten soll es am Samstag ein Begräbnis geben, erklärte Regierungschef Giuseppe Conte auf Facebook. Für den Tag soll auch eine Staatstrauer gelten.
Neun Verletzte in kritischem Zustand
Unter den Opfern sind mindestens drei Minderjährige im Alter von 8, 12 und 13 Jahren. 15 Menschen sind der Präfektur zufolge verletzt, neun von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand. Wie viele Menschen noch vermisst werden, ist unklar.
Viele Tote bei Brückeneinsturz in Genua
Die Regierung hatte am Mittwoch den Notstand für die Hafenstadt verhängt und fünf Millionen Euro Nothilfe bereit gestellt. Das Dekret soll ermöglichen, „erste wichtige Maßnahmen zu treffen, um dem Ausnahmezustand zu begegnen“, erklärte Conte. Dazu gehöre, schnellstmöglich die Sicherheit in der betroffenen Region der Stadt zu garantieren und Betroffenen zu helfen.
Hunderte sind obdachlos geworden
Der Notstand soll zwölf Monate gelten und in diesem Zuge auch ein Sonderbeauftragter für den Wiederaufbau benannt werden. Vieles deutet darauf hin, dass die Brücke abgerissen und eine neue errichtet werden soll.
Die Tragödie hat Hunderte Menschen obdachlos gemacht: Sie mussten ihre Häuser nahe der Brücke aus Sicherheitsgründen verlassen – und das möglicherweise für immer. „Bis Ende dieses Jahres werden wir all diesen 634 in Sicherheit gebrachten Genuesen ein neues Zuhause geben“, versprach Salvini.
Wichtige Verbindungsstraße
Der mehr als 40 Meter hohe Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke genannt wird, spannt sich unter anderem über Wohnhäuser, Gleisanlagen und Fabriken. Am Dienstagmittag war er während eines heftigen Unwetters auf einem etwa 100 Meter langen Stück eingestürzt und hatte zahlreiche Fahrzeuge mit in die Tiefe gerissen.
Die Brücke ist Teil der Autobahn 10 und verbindet nicht nur den Osten mit dem Westen der Stadt. Sie ist auch als Urlaubsverbindung „Autostrada dei Fiori“ bekannt und eine wichtige Verbindungsstraße nach Südfrankreich, in den Piemont und die Lombardei.
Betreiber soll Lizenz verlieren
Die Morandi-Brücke ist allerdings seit langem umstritten. Regierungsmitglieder machten den privaten Betreiber der Autobahn für die Katastrophe verantwortlich und wollen ihm die Lizenz entziehen. Conte erklärte, es sei die Justiz, die die Verantwortlichkeiten klären müsse. „Aber unsere Regierung kann nicht weiter warten.“ Deswegen seien diese Schritte eingeleitet worden.
Das Verkehrsministerium leitete eine Untersuchung von Autostrade per l’Italia ein und forderte das Unternehmen am Donnerstagabend auf, binnen 15 Tagen nachzuweisen, dass es all seinen Instandhaltungspflichten nachgekommen sei. Die Gesellschaft müsse außerdem bestätigen, dass sie den Viadukt auf eigene Kosten vollständig wiederaufbauen werde. (dpa)