Berlin. Ohne Handy oder Tablet in die Ferien? Das ist für viele Urlauber kaum noch vorstellbar. Doch das verändert, wie wir Urlaub machen.

Früher war es der verbaute Ausblick, der ihre Eltern störte, wenn sie in den Urlaub fuhren – damals in den Neunzigern – oder der fehlende Zugangsweg zum Meer, wie er im Prospekt versprochen war. Heute haben die Geschwister Nina (28) und Tobias (35) bei Ankunft im Urlaubsdomizil, eine Finca auf Ibiza, aus anderen Gründen schlechte Laune. Der Wlan-Zugang ist zu schwach, der spanische Vermieter verspricht Abhilfe mit einem neuen Router. Der soll dann da sein, noch am Abend, wenn die Freunde anreisen.

Drei Wochen hier abhängen zwischen Strand, Finca, Diskothek und Markt – ohne Internet am heimischen Pool würde laut Nina und Tobias einem Desaster gleichkommen. Instagram-Fotos sollen hochgeladen werden, außerdem muss Tobias noch eine Präsentation in der zweiten Woche abgeben und einmal am Tag E-Mails checken. Ein Deal mit dem Chef seines Start-ups, zumindest zwei Stunden online verfügbar zu sein.

Die einen nennen es Kommunikationsterror, die anderen wohl einfach nur Alltag – wobei niemand den Fakt leugnen würde, dass Smartphones und Internetflatrate unser Leben und unsere Feriengewohnheiten für immer verändert haben. „Die Bereiche von Arbeitssphäre und Privatsphäre vermischen, das betrifft den Urlaub, aber auch den normalen Alltag mit der Durchsetzung von flexiblen Arbeitszeiten oder dem Angebot von Homeoffice“, sagt der Soziologe Sacha Szabo.

Und auch die Zahlen bestätigen das. Knapp drei Viertel der Beschäftigten in Deutschland, so legte eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom offen, beantworten während ihres Aufenthalts an einem Ferienort dienstliche Anrufe, E-Mails oder Kurznachrichten. Nur etwa jeder Vierte schaltet im Urlaub komplett ab.

Urlaub ist ein Wettlauf um Prestige, sagen Soziologen

Für Nina und ihre Freundinnen wäre die analoge Auszeit im Urlaub nicht einmal eine Überlegung wert. Sie nutze das Handy ja schon alleine als Kamera und dann sei der Schritt, die Fotos auf Instagram hochzuladen, nur noch ein paar Tasten entfernt.

„Instagram und Facebook funktionieren heute wie Postkarten“, sagt Nina, während ihre lackierten Nägel über das Display streifen. Tatsächlich hat die Foto-App Instagram in Deutschland bereits 15 Millionen Nutzer, weltweit über eine Milliarde. So populär, dass schon deutsche Spitzenpolitiker sie exzessiv nutzen, so effektiv durch ihr Suchtpotenzial, dass Forscher wie der Informatiker Alexander Markowetz ernsthaft besorgt wirken. „Wenn ich alle 20 Minuten auf mein Handy sehe, leidet meine Produktivität und mein Glücksempfinden“, warnt der Informatiker. Er hat eine App namens Menthal entwickelt, um das Nutzungsverhalten von mehr als 300.000 Smartphone-Nutzern zu erforschen. Der Wissenschaftler warnt wie auch Christian Montag, Suchtforscher an der Universität Ulm, vor dem digitalen Burn-out und empfiehlt klare Auszeiten, gerade im Urlaub.

Parallel konnten Psychologen bereits in einer Reihe von Studien zeigen, dass narzisstische Menschen in sozialen Netzwerken sehr aktiv sind und der Wunsch nach Ansehen und Status beim Posten von Bildern vordergründig ist. Ein Foto von einem Traumstand mit Kindern signalisiert geradezu: „Seht her, meine Abenteuerlust ist groß, mein Ferienhaus riesig, mein Kapital unerschöpflich.“ Soziologe Sacha Szabo hat sich viel mit den Ferien im Wandel der Zeit beschäftigt und sieht die Veränderungen in den vergangenen hundert Jahren nicht so immens. „Der Urlaub war schon zu Zeiten von Goethes Italienreise ein Statussymbol, das wiederum an den beruflichen Erfolg gekoppelt ist.“ So gehöre es eben laut Szabo auch dazu, dieses Erlebnis zu dokumentieren, früher in riesigen Fotobergen und heute in Echtzeit in den sozialen Medien. Urlaub sei also oft keine Erholung, sondern ein Wettbewerb um Prestige. Zudem gehe es darum, den selbstempfundenen Mangel an Kultur zu kompensieren.

Ist also Urlaub, ein kulturbürgerliches Ideal im 19. Jahrhundert, in Zeiten von durchlässigen Arbeits- und Freizeitstrukturen nicht mehr zeitgemäß? Honor Jones, Kolumnist der „New York Times“ glaubt genau das und fragte: „Würden Sie lieber über 50 Stunden die Woche arbeiten und fünf Wochen Ferien haben oder würden Sie lieber 30 Stunden wöchentlich arbeiten und nie wieder Urlaub haben?“ Er würde sich sofort für Letzteres entscheiden, weil alleine Urlaubsantritt, die Übergabe im Büro und der Transfer zum Urlaubsort zu viel Stress bedeuten würde.

Soziologe Sacha Szabo glaubt hingegen noch an den Sinn des Urlaubs – auch weil ein neuer Wirtschaftszweig wiederum den Wunsch nach „Digital Detox“ befriedigen möchte, zum Beispiel durch handyfreie Hotels. „Ist der Alltag von Disziplin und Nützlichkeit bestimmt, so könnte der Urlaub uns davon eine Auszeit ermöglichen. Also alle Anforderungen, die man sich stellt, auszublenden, jede Form der Selbstoptimierung zu vergessen, das zu tun, was einen gerade guttut“, sagt Szabo. Und das ist dann ein Moment, der wohl nicht wenigen ein Foto wert wäre.