Westerland. Über 300 freie Stellen gibt es. Vor allem Hotels suchen auf Sylt Personal. Doch kaum jemand will auf die Insel – sie ist zu teuer.

Karl Max Hellner kennt Sylt so gut wie wenige andere. Seine Familie lebt seit Anfang des 17. Jahrhunderts auf der Insel, der 62-Jährige ist Vorsitzender des Vereins Sylter Unternehmer.

Er klagt, Deutschlands beliebtestes Eiland stehe vor großen Problemen. „Die Stimmung ist schlecht“, sagt Hellner mit Blick auf seine Mitarbeiter. Es werde immer schwieriger, Personal zu finden – zu hoch sind die Miet- und Immobilienpreise auf Sylt, zu sanierungsbedürftig die Bahnstrecke zum Festland.

Manche Mitarbeiter kündigen und suchen sich lieber einen Job abseits der Insel, manche bewerben sich gar nicht erst, weil sie sich den Pendelstress nicht antun wollen. „Wir kriegen weniger Bewerbungen als vor ein, zwei Jahren“, so Hellner.

Fachkräftemangel auf Sylt immer gravierender

Hellner steht exemplarisch für eine schleichende Sylter Entwicklung. Der Fachkräftemangel wird immer gravierender. Krankenpfleger, Verkäufer und Tischler werden dringend gesucht. Bei der zuständigen Arbeitsagentur in Flensburg sind 386 offene, sozialversicherungspflichtige Stellen gemeldet. Vor allem Hotels und Restaurants suchen Personal.

Doch kaum jemand möchte sich an die Insel binden, die regelmäßig die Ranglisten als teuerster Immobilienstandort Deutschlands anführt. Sylt kämpfe um die gleichen Arbeitskräfte wie die Betriebe auf dem Festland, sagt Agentursprecher Christian Groborsch. „Und die Chance, auf dem Festland eine gut bezahlte Stelle zu bekommen, ist derzeit sehr gut.“

60 Prozent der Mitarbeiter Karl Max Hellners sind Pendler vom Festland. Sie können sich Sylt nicht leisten. Ähnlich wie in Berlin, Hamburg oder Düsseldorf sind die Immobilienpreise gerade für junge Familien unbezahlbar. Doch anders als die Großstädte hat Sylt kein Hinterland – wer das Leben auf der Nordseeinsel nicht bezahlen kann, muss sie verlassen.

Katastrophale Bahnverbindung

Eine von denen, die das Pendeln nicht mehr aushielt und ihren Job nach kurzer Zeit wieder gekündigt hatte, ist Jasmin A. Die Bahnverbindung sei katastrophal gewesen, sagt sie: „Im Sommer sind die Züge total überfüllt und fallen ständig aus, wegen der Hitze oder wegen irgendwelcher Störungen.“ Sie berichtet auch vom Druck, der auf ihr gelastet habe, wenn der Zug mal wieder Verspätung hatte.“ Seit dem 1. Juli arbeitet sie nun in einer Drogerie in der Nähe ihres Wohnortes.

Um solche Probleme bei der Marschbahn – der teils einspurigen Regionalstrecke, die Sylt mit dem Großraum Hamburg verbindet – in den Griff zu bekommen, hat die Bahn kürzlich angekündigt, die Strecke mit Investitionen in Höhe von 160 Millionen Euro wieder flottzumachen.

In den kommenden zwei Jahren werden Sylt-Reisen mit der Bahn deswegen zunächst aber noch mühseliger. Die Züge fahren dann nach Angaben der DB Netz AG wegen der Bauarbeiten nicht nur langsamer, sondern auch seltener. Allein im Mai und Juni seien über 150 Züge ausgefallen, nur 40 Prozent seien pünktlich gewesen, kritisiert die Marketinggesellschaft der Insel. „Durch die Probleme auf der Marschbahn“, so Christian Groborsch von der Arbeitsagentur, „ist die Motivation, auf der Insel zu arbeiten, für viele noch geringer geworden.“

Hotel bietet Wohnungen für Mitarbeiter an

Um das Problem zu bewältigen, greifen Unternehmer zu besonderen Mitteln und bieten Anreize: Im Arosa-Hotel in List steht den Mitarbeitern beispielsweise eine eigene Unterkunft mit 100 Wohnungen in verschiedenen Größen zur Verfügung. Dazu gibt es das Programm „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“.

Angestellte erhalten Prämien, wenn sie erfolgreich neue Männer und Frauen angeworben haben. Alle können den Fitnessbereich des Resorts ganztägig und kostenfrei nutzen, und es werden spezielle Fitnesskurse angeboten. Darüber hinaus können die Mitarbeiter auch Spa-Angebote in Anspruch nehmen.

Claas-Erik Johannsen, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) auf Sylt und Chef des Hotels Benen-Diken-Hof in Keitum, sagt, dass er auch sehr viele gute Leute verliert. Er hilft deshalb allen neuen Mitarbeitern, eine Unterkunft zu bekommen. „Ohne eine solche Unterstützung geht es gar nicht mehr“, sagt er. Und für die Verpflegung steht ein Mitarbeiter-Restaurant zur Verfügung. Man müsse was tun, um sein Personal zu halten.