Berlin . Josh Brolin ist Hollywoods Actionstar des Jahres. Im Interview spricht er über seine Abkehr von Donald Trump und seine sensible Seite.

US-Medien sprachen schon vom „Sommer des Brolin“: Mit gleich drei Blockbustern dominierte Hollywoodstar Josh Brolin bisher das Kinojahr 2018. Nach „Avengers“ und „Deadpool 2“ ist nun „Sicario 2“ angelaufen, ein knallharter Actionthriller über den Drogenkrieg im mexikanischen Grenzgebiet.

Im Gespräch wirkt der 50-jährige Sohn von „Hotel“-Star James Brolin und Stiefsohn von Barbra Streisand zunächst angemessen raubeinig. Später kommt jedoch ein sensibler und nachdenklicher Mensch zum Vorschein.

Herr Brolin, Ihr aktueller Film „Sicario 2“ lässt sich als bitterer Kommentar zu Trumps Grenz-Wahnsinn lesen.

Josh Brolin: Absolut. Der Film hat leider eine erschreckende Aktualität bekommen.

Ich habe mit Bestürzung gelesen, dass Sie Trump-Fan sind. Wie kann das sein?

Brolin: Ich bin schon lange kein Trump-Fan mehr. Darauf lege ich großen Wert. Allerdings war ich es, als er noch Unternehmer in New York war. Da habe ich ihn sogar ein paarmal getroffen. Auch zur Vorbereitung für den Oliver-Stone-Film „Wall Street: Geld schläft nicht“. Ich hatte auch einige seiner Bücher gelesen. Und da ich mich schon immer sehr fürs Immobiliengeschäft interessierte, hat er mir damals ein paar sehr nützliche Tipps gegeben. Er war ein cleverer Geschäftsmann mit einem riesengroßen Ego, der Dinge puschte und möglich machte. Das hat mich schon fasziniert. Aber meine Wertschätzung für ihn hat sich – spätestens seit er Präsident ist – drastisch gewandelt.

Ihre zwei Kinder sind groß, von Ihrer Frau sind Sie geschieden. Bekämpfen Sie mit Marvel-Comics-Helden-Rollen in „Deadpool“ eigentlich Ihre Midlife-Crisis?

Brolin: Absolut. Ich stand vor der Wahl: Kaufe ich mir einen Ferrari oder mache ich ein, zwei Marvel-Filme und nehme erneut den Kampf gegen die mexikanischen Kartelle auf?

Stimmt es, dass Sie sich als Teenager wie ein Waschlappen gefühlt haben und Ihre Empfindsamkeit hassten?

Brolin: Das stimmt. Im Sport war ich eine Niete und wurde deshalb oft gehänselt. Ich trug lange eine Zahnspange und die Girls haben alle einen großen Bogen um mich gemacht. Ich war seelisch leicht verletzbar, hochsensibel und habe das Leben furchtbar ernst genommen. Aber dort, wo ich aufwuchs, war Empfindsamkeit fehl am Platz. Es war ein Schwäche. Deshalb habe ich sie gehasst.

Aber sensibel sind Sie hoffentlich noch?

Brolin: Ja, aber das ist ja etwas anderes als empfindsam. Da mache ich einen feinen Unterschied. Als Teenager war ich in einer Clique aus knallharten Typen, üblen Schlägern und Halbkriminellen. Da gab es nur Punkrock, Herumhängen und Saufen. Später kamen dann noch harte Drogen dazu. Als ich 16 war, kam meine Mutter (die Schauspielerin Jane Cameron Agee) bei einem Autounfall ums Leben. Das war wirklich alles sehr hart. Ich bin meinem Schicksal sehr dankbar, dass ich noch am Leben bin. Die meisten der Menschen, mit denen ich aufwuchs, sind nämlich schon längst tot.

Was hat Ihnen in Lebenskrisen am meisten geholfen?

Brolin: Mein Durchhaltevermögen, meine Geduld – und dass ich es all die Jahre geschafft habe, den Glauben an mich selbst nicht zu verlieren. Und dass ich keinen Hehl daraus machte, wie sehr ich den Hollywood-Lifestyle verachte. Na ja, Letzteres war für meine Karriere nicht gerade förderlich.

Was verstehen Sie unter Hollywood-Lifestyle?

Brolin: Was mich vor allem abstößt, ist wenn sogenannte Stars ihren Ruhm und Reichtum geradezu obszön zur Schau stellen. Außerdem ist mir auch das oberflächliche Getue ein Gräuel. Hast du einen Kinohit, dann bist du in Hollywood sehr schnell Everybody’s Darling. Aber wehe, dein Stern beginnt zu sinken – dann kennen dich dieselben Leute plötzlich nicht mehr. Genau das ist mir vor einigen Jahren bei meinem Flop „Jonah Hex“ passiert. Danach stand mein Telefon ein halbes Jahr still. Ich dachte wirklich, das wäre das Ende. Aber dann ging es zum Glück doch wieder weiter.

Haben Sie Ihre Dämonen heute besser unter Kontrolle als noch vor ein paar Jahren?

Brolin: Ich hoffe doch. Es gibt jedenfalls schon lange keine Alkoholexzesse mehr in meinem Leben. Wissen Sie, für mich ist Scham eine große Sache. Früher habe ich oft Dinge gemacht, für die ich mich dann sehr geschämt habe. Ich will da jetzt nicht ins Detail gehen. Aber diese Entgleisungen habe ich – Gott sei Dank – abgestellt.

Können Sie sich jetzt besser annehmen als früher?

Brolin: Ja, aber es hat ziemlich lange gedauert, bis ich so weit war, mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Ich bin nun mal sehr sensibel. Ich bin auch der Typ, der weint, wenn er Grund dazu hat. Auf der anderen Seite kann ich aber hart und bestimmt sein.

Schreiben Sie eigentlich noch Gedichte?

Brolin: Oh ja, jede Menge. Ich schreibe jeden Tag. Auch andere Sachen, wie zum Beispiel Kurzgeschichten. Das können Sie alles auf Instagram lesen. Aber ich würde nie ein Buch veröffentlichen. Da hieße es doch nur: „Oh Gott, jetzt denkt er auch noch, er wäre ein Poet!“ Das muss ich nicht haben.

Ihr Lebensmotto?

Brolin: „Scheiß drauf!“