Hiroshima/Tokio. Autos werden weggespült oder unter Schlammmassen begraben. Dutzende Menschen sterben. Im Westen Japans herrscht der Ausnahmezustand.

Die Zahl der Toten durch die heftigen Unwetter im Westen Japans ist nach japanischen Medienberichten vom Dienstag auf mindestens 126 gestiegen. Dutzende Menschen werden noch vermisst, die Einsatzkräfte setzten die Suche nach Vermissten fort. Die Überschwemmungen sind damit die schlimmste Naturkatastrophe in Japan seit dem verheerenden Erdbeben und Tsunami im März 2011.

Zwar haben die extremen Regenfälle in den meisten betroffenen Gebieten vor Tagen aufgehört, doch warnte die nationale Wetterbehörde vor der Gefahr weiterer Erdrutsche. Rund 11.000 Menschen verbrachten auch die Nacht zum Dienstag in Notunterkünften.

Regierungschef Shinzo Abe sagte wegen der Flutkatastrophe eine ab Mittwoch geplante Auslandsreise nach Frankreich, Belgien, Saudi-Arabien und Ägypten ab. Der Dauerregen hörte am Montag auf.

Laut Regierungssprecher Yoshihide Suga suchen insgesamt 54.000 Helfer – darunter Soldaten und Polizisten – nach eingeschlossenen, verletzten oder toten Menschen. Premierminister Shinzo Abe rief dazu auf, bei der Suche nichts unversucht zu lassen. „Es ist ein Kampf gegen die Zeit“, sagte Abe.

Region um Hiroshima besonders betroffen

Besonders betroffen von den starken Regenfällen war die Region um die Millionenstadt Hiroshima. Allein dort wurden 39 Tote und Dutzende Vermisste gemeldet. Auf der südwestlichen Hauptinsel Shikoku starben 22 Menschen.

Japan kämpft mit einer Jahrhundertflut

Die Flutkatastrophe im Südwesten Japans richtet immense Schäden an und nimmt kein Ende. Dieses am Samstag entstandene Luftbild zeigt die Stadt Kurashiki in der Präfektur Okayama.
Die Flutkatastrophe im Südwesten Japans richtet immense Schäden an und nimmt kein Ende. Dieses am Samstag entstandene Luftbild zeigt die Stadt Kurashiki in der Präfektur Okayama. © dpa | Uncredited
Seit Donnerstag leidet die südwestliche Hauptinsel Shikoku unter andauerndem Regen.
Seit Donnerstag leidet die südwestliche Hauptinsel Shikoku unter andauerndem Regen. © dpa | Shohei Miyano
Diese Menschen mussten auf dem Dach eines Hauses in Kurashiki auf Rettung warten.
Diese Menschen mussten auf dem Dach eines Hauses in Kurashiki auf Rettung warten. © dpa | Shingo Nishizume
Rettungseinsatz mit Helikopter in Kurashiki: Nach Angaben der japanischen Regierung sind 54.000 Helfer im Einsatz, darunter viele Polizisten und Soldaten.
Rettungseinsatz mit Helikopter in Kurashiki: Nach Angaben der japanischen Regierung sind 54.000 Helfer im Einsatz, darunter viele Polizisten und Soldaten. © dpa | -
Unter Schlamm bedeckte Straßen: Auch dieses Foto entstand in der 500.000-Einwohner-Stadt Kurashiki nordöstlich von Hiroshima.
Unter Schlamm bedeckte Straßen: Auch dieses Foto entstand in der 500.000-Einwohner-Stadt Kurashiki nordöstlich von Hiroshima. © REUTERS | KYODO
Mit Pumpen gegen die Wassermassen in einem Wohngebiet in Kurashiki: Mindestens 440.000 Menschen mussten bislang ihre Häuser verlassen.
Mit Pumpen gegen die Wassermassen in einem Wohngebiet in Kurashiki: Mindestens 440.000 Menschen mussten bislang ihre Häuser verlassen. © dpa | -
Rettungsmannschafen fahren mit Booten über die überfluteten Straßen von Kurashiki.
Rettungsmannschafen fahren mit Booten über die überfluteten Straßen von Kurashiki. © dpa | Koji Harada
Dort musste ein Krankenhaus evakuiert werden.
Dort musste ein Krankenhaus evakuiert werden. © dpa | Shohei Miyano
Mit Booten brachten die Helfer die Menschen in Sicherheit.
Mit Booten brachten die Helfer die Menschen in Sicherheit. © REUTERS | KYODO
Soldaten bringen eine Greisin in Kurashiki in Sicherheit. Insgesamt sechs Millionen Menschen in 19 Präfekturen sind aufgefordert, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen.
Soldaten bringen eine Greisin in Kurashiki in Sicherheit. Insgesamt sechs Millionen Menschen in 19 Präfekturen sind aufgefordert, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. © dpa | 114551+0900
Ein Mann trägt eine ältere Frau durch die überfluteten Straßen von Kurashiki.
Ein Mann trägt eine ältere Frau durch die überfluteten Straßen von Kurashiki. © dpa | Uncredited
Eine unterspülte Straße in Kurashiki. Bislang ist nicht abzusehen, wie groß die Schäden durch die Flutkatastrophe am Ende sein werden.
Eine unterspülte Straße in Kurashiki. Bislang ist nicht abzusehen, wie groß die Schäden durch die Flutkatastrophe am Ende sein werden. © REUTERS | KYODO
In Saga im äußersten Südwesten Japans hat eine Schlammlawine einen Zug zum Entgleisen gebracht.
In Saga im äußersten Südwesten Japans hat eine Schlammlawine einen Zug zum Entgleisen gebracht. © dpa | Tsuyoshi Ueda
In der Kleinstadt Kure bei Hiroshima hat eine Schlammlawine viele Häuser zerstört.
In der Kleinstadt Kure bei Hiroshima hat eine Schlammlawine viele Häuser zerstört. © dpa | Uncredited
Kurashiki: Helfer machen eine Pause vom Dauereinsatz.
Kurashiki: Helfer machen eine Pause vom Dauereinsatz. © REUTERS | ISSEI KATO
Ein Mann in Kurashiki trotzt den Fluten auf seinem Fahrrad. Bislang ist nicht abzusehen, wann die starken Regenfälle aufhören.
Ein Mann in Kurashiki trotzt den Fluten auf seinem Fahrrad. Bislang ist nicht abzusehen, wann die starken Regenfälle aufhören. © dpa | -
Ein älteres Paar betrachtet die Zerstörungen, die die Fluten in Kurashiki hinterlassen haben.
Ein älteres Paar betrachtet die Zerstörungen, die die Fluten in Kurashiki hinterlassen haben. © REUTERS | KYODO
1/17

Die Zahl der Opfer könnte noch weiter steigen. Berichten zufolge verließen wegen der Wassermassen Hunderttausende ihre Häuser. Andere mussten sich auf die Dächer ihrer Häuser retten und harrten dort aus, bis die Rettungsteams sie erreichten.

Einsatzkräfte suchen in Kumano nach vermissten Personen.
Einsatzkräfte suchen in Kumano nach vermissten Personen. © dpa | Sadayuki Goto

Insgesamt waren rund 6 Millionen Menschen in 19 Präfekturen aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen, darunter alleine 1,8 Millionen in Hiroshima. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, wurden Hunderte Häuser beschädigt.

Situation „extrem gefährlich“

Rund 13.000 Kunden waren nach Angaben von Versorgungsunternehmen am Montag noch von der Stromversorgung abgeschnitten, Hunderttausende waren ohne Wasser. Zahlreiche Unternehmen mussten wegen Überflutungen von Fabriken oder dem Ausbleiben von Zulieferungen ihre Produktion drosseln, darunter der Autobauer Mazda und der Elektronikhersteller Panasonic.

Die Wetterbehörde warnte vor weiteren Erdrutschen und Hochwasser. Vor allem in den Präfekturen Kyoto und Gifu gebe es „noch nie da gewesene Niederschläge“. In der vom Regen betroffenen Region im Westen Japans befinden sich die Großstädte Fukuoka, Nagasaki und Hiroshima. Die Situation sei „extrem gefährlich“.

Bäume knickten um, in der Stadt Saga im äußersten Südwestendes Landes entgleiste aufgrund einer Schlammlawine ein Zug. Berichten zufolge verließen wegen der Wassermassen mindestens 440.000 Menschen ihre Häuser und Wohnungen.

Im Abwasserrohr weggespült

In Inagawa, 500 Kilometer westlich der Hauptstadt Tokio, starb ein 59 Jahre alter Arbeiter in einem Staubecken. Der Mann war zusammen mit zwei Kollegen in einem Abwasserrohr weggespült worden, wie die Nachrichtenagentur Kyodo News berichtete.

Ein Mann läuft durch die Trümmer der besonders hart getroffenen Stadt Kurashiki nordöstlich von Hiroshima.
Ein Mann läuft durch die Trümmer der besonders hart getroffenen Stadt Kurashiki nordöstlich von Hiroshima. © REUTERS | ISSEI KATO

Ein weiterer 59-Jähriger wurde demnach in der Stadt Akitakata tot aus einem Fluss geborgen, der über die Ufer getreten war. Die Behörden entdeckten die Leiche einer Seniorin im Alter von etwa 70 bis 80 Jahren in einer Abwasseranlage in der Stadt Hashima in Mitteljapan, wie der Sender NHK berichtete. Dem Bericht zufolge könnte die Frau ebenfalls in einen Fluss gefallen sein.

Vor Schlammlawinen gewarnt

Eine saisonbedingte Regenfront war in der Nacht zum Freitag über das westliche Japan hinweggezogen. „Anders als bei einem Taifun lässt sich nicht vorhersagen, wo der Rekordregen fallen wird“, hatte ein Mitarbeiter der zuständigen Behörde Reportern am Donnerstag gesagt.

Erst Anfang der vorigen Woche hatte der Taifun „Prapiroon“ mit starkem Wind und heftigen Regen im Südwesten Japans für Verwüstungen gesorgt und mindestens ein Todesopfer gefordert. Der siebte Taifun des Jahres war am Mittwoch zu einem außertropischen Zyklon heruntergestuft worden. (bekö/dpa/rtr)