Berlin. Hasnain Kazim schreibt in seinem Buch „Post von Karlheinz“ über Hassbriefe an ihn. Der Journalist hat sich entschlossen, zu antworten.

Seine ersten Hassbriefe bekam Hasnain Kazim Anfang der 90er-Jahre. Er hatte in einem Schülerartikel einen Politiker kritisiert, weil der vor einer „Überfremdung“ Deutschlands gewarnt hatte. Der Hass damals kam noch auf Papier – und anonym. Das ist heute anders. „Leute sagen heute Dinge, die man jahrzehntelang für unsagbar hielt, und stehen mit ihrem Namen dazu und finden das normal“, sagt der Journalist.

Sein Name, sein Aussehen, dazu die Tatsache, dass er sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit positioniert: Das reicht manchen Menschen, um ihn zu beschimpfen und zu bedrohen. Sie wollen ihn mit vielen Ausrufezeichen „in den Gasofen!!!!!!!!!!!!!“ schicken oder „am Galgen“ sehen. „KAZIM RAUS AUS DEUTSCHLAND!“, so schreien sie ihn in Hassmails an.

Und er? Antwortet ihnen. Mal ironisch, mal sachlich, einmal mit einem Video, in dem er auf der Blockflöte das Deutschlandlied spielt. Da hatte jemand einen Beweis von Kazim verlangt, dass er Deutscher sei. Aus seinen Dialogen mit den Hassmail-Schreibern ist jetzt ein Buch entstanden: „Post von Karlheinz“ heißt es (Penguin Verlag, 10 Euro).

Hasnain Kazim berichtet aktuell aus Wien

Und plötzlich bekommt der 43-jährige Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer viel positive Post. Von Lesern, die sich schockiert äußern über die Anfeindungen. Und die ihm ihre Solidarität bekunden. Das erzählt Kazim bei einer Tasse Earl Grey in Berlin. Gerade hat er als Gast auf einer Konferenz zu Integration und Multikulturalismus gesprochen. Lebensentscheidungen seiner Eltern haben ihn zum Experten dafür gemacht.

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    Seine eigene Lebensentscheidung war vor allem die, Journalist zu werden. Auslandskorrespondent – sein Jugendtraum. Heute berichtet Kazim für „Spiegel“ und „Spiegel Online“. Zuerst vier Jahre aus Pakistan, dessen Amtssprachen Urdu und Englisch er zu Hause gelernt hatte. Als Nächstes berichtete er aus der Türkei, wobei er zum Hassobjekt für Erdogan-Anhänger wurde. Ankara verlängerte schließlich seine Presseakkreditierung nicht. Seit 2016 heißt der Einsatzort Wien.

    Er reagiere oft mit Humor, um den Hass, der ihm entgegenschlägt, besser ertragen zu können. Grundsätzlich findet Kazim an der Tendenz, dass ein Teil der Bevölkerung seinen Rassismus und seine Menschenverachtung laut herausbrüllt, gar nichts komisch: „Man muss dem etwas entgegensetzen und sagen: Nein! Das ist nicht normal!“

    „Du, ich bleib hier, wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen.“

    Seine eigenen Antworten auf die Hasspost variieren situations- und stimmungsbedingt. Es gebe da keine einfache Lösung. „Manchmal merke ich, es könnte sich lohnen, noch mal sachlich nachzufragen, was derjenige meint“, sagt er. Wenn jemand ihm aber einfach nur sage, er habe in Deutschland nichts verloren, antworte Kazim ihm kurz und knapp: „Du, ich bleib hier, wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen.“

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      Die Erfahrung, das „Deutschsein“ abgesprochen zu bekommen, teilt er mit anderen Deutschen, deren Name und/oder Hautfarbe nicht zur Vorstellung mancher passen. Deutschland habe kein Konzept gehabt für die Einwanderung, obwohl es längst ein Einwanderungsland war; ein Fehler, sagt Kazim. Wer aber 40 Jahre hier gelebt habe und immer noch die Kinder zum Übersetzen mit zum Arzt nehmen müsse, habe auch Fehler gemacht.

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      „Wenn ich in einem Land lebe, muss ich die Sprache auch lernen. Wenn das jemand nicht tut, finde ich es schon kritikwürdig.“

      Er muss nun los, zum nächsten Zug nach Hamburg – er nutzt die Gelegenheit für einen Heimatbesuch bei seinen Eltern. „Meine Heimat“, sagt Kazim, „und diesen Begriff lass ich mir nicht von irgendwelchen Rechten nehmen, ist die deutsche Sprache. Und Hollern-Twielenfleth im Alten Land.“