Herne. Eine Schule in Nordrhein-Westfalen hat für muslimische Schülerinnen Burkinis angeschafft. Der Integrationsrat befürwortet den Schritt.

Ein Gymnasium in Herne (Nordrhein-Westfalen) hat 20 Burkinis für den Schwimmunterricht mit muslimischen Schülern angeschafft. „Damit hat keiner mehr eine Ausrede, nicht am Unterricht teilzunehmen“, sagt Schulleiter Volker Gößling (55) auf Nachfrage unserer Redaktion. 15 Schülerinnen hätten das kostenlose Angebot bereits genutzt. Ohne den figurumhüllenden Burkini wären sie wohl nicht mit den männlichen Mitschülern ins Becken gestiegen, heißt es.

Schwimmunterricht gibt es an dem Pestalozzi-Gymnasium in Herne in der sechsten und der achten Klasse. Spätestens in der Mittelstufe sei das Schwimmen für viele junge muslimische Frauen ein Problem. Mit der Zuwanderung von Flüchtlingen habe sich das noch einmal verschärft.

„Das Schulschwimmen war für uns schwierig“, sagt Volker Gößling. Klar ist, der Unterricht im Becken ist regulärer Bestandteil des Sportunterrichts – und damit Pflicht. Trotzdem hätten viele muslimische Jugendliche den Unterricht aus Glaubensgründen verweigert, heißt es aus Kreisen der Schule.

Einige haben Angst vor dem Schwimmunterricht

Ein Punkt bei dem der Erziehungswissenschaftler Klaus Spenlen einhakt. Er hat etliche Lehrerleitfäden zum Thema Schule und Islam verfasst. „Die Schule handelt im vorauseilenden Gehorsam“, sagt Spenlen, Forscher an der Uni Düsseldorf: „Das ist nicht die Aufgabe von Werten, aber von Vorgehensweisen, die man nicht aufgeben sollte.“

Die Schule hätte zunächst versuchen sollen, einen reinen Mädchen-Schwimmunterricht zu organisieren. Und wenn das nicht geht, dann „müsste ein Mädchen in jedem Einzelfall einen glaubhaften Antrag stellen, dass es in seinem Religionsverständnis massiv beeinträchtigt ist. Dazu müsste es mindestens in der Pubertät sein.“

Unterschiede von Burka, Niqab und Co.

Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind...
Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind... © imago/Paulo Amorim | imago stock&people
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung.
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung. © REUTERS | © Gonzalo Fuentes / Reuters
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem...
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem... © Gwendoline Le Goff / PanoramiC
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ...
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ... © dpa | Boris Roessler
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen.
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen. © imago / Xinhua
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt.
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt. © imago/JOKER | imago stock&people
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht.
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein.
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
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Aktuell gehen 34 der so genannten Integrationsschüler auf das Pestalozzi-Gymnasium. „Von ihnen haben die meisten mäßige oder keine Schwimmerfahrungen, einige sogar Ängste“, sagt Volker Gößling. „Ich vertrete aber eine klare Haltung: Bei uns soll jeder Schwimmen lernen und dafür schaffe ich die Bedingungen.“

Geld bei Spendenlauf für Flüchtlinge gesammelt

Die Burkinis haben die Schule knapp 400 Euro gekostet. Das Geld stammt unter anderem aus einem schulinternen Spendenlauf für Flüchtlinge. Außerdem habe die Schule von Fördermitteln von Stadt und Land profitiert.

Einzelheiten möchte Schulleiter Volker Gößling nicht verraten. Von der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg heißt es nur, dass keine finanziellen Förderungen von Burkinis im Schwimmunterricht bekannt seien.

Die Burkinis werden kostenlos an die Schülerinnen verliehen, es gibt sie in allen Größen. Badehosen oder Bikinis verleiht die Schule dagegen nicht. „Schwimmen ist Integration, das gehört in Deutschland zur Kultur.“ Die Anschaffung sei in der Schule gut angekommen. Kritik habe es von Schülern, Eltern und Lehrern nicht gegeben. „Auch die Beteiligten haben das gut aufgenommen. Sie nehmen jetzt am Unterricht teil“, so der Schulleiter.

Islamkritikerin: „Sehr schlechtes Signal“

Doch auch die Islamkritikerin Mina Ahadi hält die Bestellung für ein „sehr schlechtes Signal“. Durch den Druck von Eltern und das Verhalten der Schule „wird den Mädchen signalisiert: Wenn ich nicht den Burkini nehme, bin ich eine schlechte Muslimin und ein schlechter Mensch“.

Die Schule hätte versuchen sollen, die Eltern aufzuklären: „Dies hier ist Deutschland, hier sind Männer und Frauen gleichberechtigt.“ Sie kenne aber auch viele muslimische Eltern, die „dafür sind, dass ihre Tochter im Bikini schwimmen lernt“.

Der Integrationsratsvorsitzende Muzaffer Oruc begrüßt dagegen den Schritt des Gymnasiums. „Wenn junge Frauen aus Glaubensgründen nicht mit Männern schwimmen wollen, muss man das akzeptieren.“ Er hält die Anschaffung von Burkinis für Schülerinnen ab der Pubertät deshalb für sinnvoll. Schulen sollten „kultursensibel“ handeln. „Wenn die Schüler fern bleiben, ist das auch keine Integration.“

Dieser Text ist zuerst auf waz.de erschienen.