Amsterdam. Anwohner in Amsterdam sprechen von einer Zumutung durch zu viele Touristen. Deshalb plant das Stadtparlament jetzt ein Maßnahmenpaket.

Schnellrestaurants, Souvenirshops – selbst Fischläden haben es in Amsterdam schwer: Viele müssen schließen. Der Grund: Sie sollen keinen Anreiz für Touristen bieten. Ein aus Sicht der Geschäftsleute absurdes Unterfangen. Doch sie können es nicht ändern. Die niederländische Hauptstadt, die seit Langem unter dem wachsenden Besucherstrom ächzt, setzt jetzt rigoros das Maßnahmenpaket um, das von Kritikern als „weltweit einzigartige Touristen-Vergraulungsaktion“ bezeichnet wird.

Die „harten Maßnahmen“ seien nötig, um die Lebensqualität in der Stadt zu sichern, so der grün-linke Stadtparlament. Dass seit Oktober schon keine neuen Geschäfte mehr in der City genehmigt wurden, führte zu Protesten bei vielen Geschäftsleuten. Ihr Hinweis, die Innenstadt könnte dann ja schlimmstenfalls sterben, sei schlichtweg ignoriert worden, heißt es. Auch dass der Umsatzverlust in die Milliarden gehe, wie die Beschwerdeführer glauben, sei bei den Verantwortlichen nicht weiter kommentiert worden.

Viele Existenzen stehen in Amsterdam auf dem Spiel

Der Besucheransturm von jährlich etwa 18 Millionen Menschen aus aller Welt – im Jahr 2005 waren es noch elf Millionen – sei eine Zumutung für eine Stadt verkündet der Stadtparlament, der immer wieder betont, wie sehr ihm die Lebensqualität der Anwohner am Herzen liegt. Zu den Urlaubsgästen kämen noch unzählige Tagesgäste. Einen Anhaltspunkt liefert etwa die Besucherzahl des Anne-Frank-Hauses, die seit sieben Jahren kontinuierlich steigt – auf fast 1,3 Millionen im letzten Jahr.

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Einer, dessen Lebensqualität sich verschlechtert hat, ist Fons de Visscher. Er kann nur den Kopf schütteln. Seit 35 Jahren betreibt er ein Fischgeschäft in Amsterdams Mitte, jetzt soll er sich umorientieren. „Ich bekam von der Stadt einen Brief per Einschreiben. Darin steht, dass ich mein Geschäft schließen muss, weil ich einen Touristen-Shop betreibe.“ Sein Ärger ist immens. Gehe es doch auch um seine Existenz.

Anwohner sprechen häufig von einer Zumutung

Die Sorgen der Geschäftsleute können die Anwohner nicht nachvollziehen. Sie leiden schließlich unter dem Lärm der Massen. Eine Hausbesitzerin sagt, dass es in ihrem schönen Kanalhaus nicht mehr auszuhalten ist. Durch die Billigunterkünfte in der Nachbarschaft habe sich das Umfeld verändert. Nicht nur, dass es laut sei – die Gäste würden einfach in den Privatgärten Partys feiern.

Der Begriff „Zumutung“ fällt mittlerweile bei den Anwohnern häufig. Er könnte aber auch zum Schlagwort der Autofahrer werden, die einen großen Bogen um Amsterdam machen müssen, weil in der Innenstadt Tausende Parkplätze entfallen. Wer trotzdem den Weg in die City findet und gedenkt, ein paar Tage zu bleiben, muss tiefer in die Tasche greifen. Die Touristensteuer soll von sechs Prozent des Übernachtungspreises auf mehr als zehn Prozent steigen.

7500 Wohnungen sollen in Amsterdam gebaut werden

Die Vorhaben gehen noch weiter: Die privaten Vermietungen über Airbnb werden verboten. Reisebusse sollen die Amsterdamer Innenstadt nicht mehr anfahren dürfen, selbst Kreuzfahrtschiffe werden nicht mehr im Hafen anlegen. Und sogar der Auto- und Fahrrad-Verleih in der Innenstadt für Touristen wird beschränkt.

Das Konzept für ein lebenswertes Amsterdam umfasst auch, mehr Wohnraum zu schaffen. Um die Wohnungsnot, die die Immobilien- und die Mietpreise in astronomische Höhen getrieben hat, zu lindern, sollen in Amsterdam jährlich 7500 Wohnungen gebaut werden.

Strom soll nur noch aus erneuerbaren Energiequellen kommen

„Wir sind ein bisschen links und verrückt“, sagt Rutger Groot Wassink, Fraktionschef der Grünen (GL), der Amsterdam zur grünsten Stadt Europas aufbauen will. Der Verbrauch von Erdgas soll beendet und der Strom nur noch mit erneuerbaren Energiequellen produziert werden. Angst, dass Touristen auf die Maßnahmen sauer reagieren, hat die Stadt nicht. Und wenn – dann bleiben sie eben weg.