Berlin. Ein nettes Andenken? Sicher. Aber nicht allein darum geht es beim Selfie. Ein Autor erklärt, was uns wirklich zum Selfie-Knipser macht.

Politiker machen’s, Kinostars auch, Sportler sowieso – und eigentlich wir alle. Das Selfie ist allgegenwärtig, ob auf der Party, im Konzert, im Fußballstadion oder einfach mal so auf der Straße – vor allem aber auf Reisen. Man kann beweisen, man ist da gewesen.

Doch das Selfie ist viel mehr als eine Erinnerung an einen besonderen Moment oder ein illustrierter WhatsApp-Gruß an die Freunde. Der italienische Journalist Marco d’Eramo beleuchtet in seinem gerade auf Deutsch erschienenen und überaus lesenswerten Buch „Die Welt im Selfie“ (Suhrkamp Verlag, 26 Euro) das „touristische Zeitalter“ – und da kommt er, wie der Titel schon sagt, ohne das Selfie nicht aus.

Ich selfie, also bin ich

Was steckt hinter dem Drang zum Selbstbildnis? Für d’Eramo ist die Sache klar: „Im Selfie drückt sich ein unbezwingbares Bedürfnis aus, das eigene Dasein zu bestätigen, ein Zeugnis von sich selbst, eine Spur des eigenen In-der-Welt-Seins zu hinterlassen.“ Das Selfie sozusagen als philosophisches Statement: Ich selfie, also bin ich.

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    Damit nicht genug: Der Buchautor sieht bei den Selfie-Fans „ein Verlangen, sich zu vergewissern, dass unser Dasein kein Ammenmärchen ist, sondern dass wir wirklich da sind“. D’Eramos Fazit: „Das Selfie fotografiert eine solche Selbstunsicherheit, dass es zum Heulen ist.“

    Aber dem Autor geht es in seinem Buch nicht nur ums Selfie. D’Eramo beleuchtet das Reisen von allen Seiten. Und Tourismus ist ein weites Feld. Gab es 1950 nach Zahlen den World Tourism Organization noch 25,3 Millionen internationale Reisende, so lag die Zahl 2015 bei knapp 1,2 Milliarden. Die Welt sei „erreichbar“ geworden, so d’Eramo. „Was für ein Rausch, diese Welt zu unserer Verfügung zu haben!“

    Dank Reiseführer und Internet suchten viele Touristen auf ihren Reisen nur noch die Bestätigung dessen, was sie vorher schon gesehen hätten. Jeder, so der Autor weiter, suche „mehr die Mythen als die realen Orte auf, sonst würde man sich gar nicht erst die Mühe machen“. Ob mit oder ohne Selfie.