Washington. In New York steht die teuerste Haushaltsauflösung aller Zeiten an. Die legendäre Sammlung David Rockefellers kommt unter den Hammer.

Wer zu den Auserwählten zählt, die bei David Rockefeller und seiner Gattin Peggy häufiger zum Abendessen eingeladen waren, weiß, worauf sich der Enkel des gleichnamigen amerikanischen Industrie-Giganten zu Lebzeiten etwas einbildete: 67 noble Essgeschirre.

Sie gehörten zum Hausstand des Multi-Milliardärs, der maßgeblichen Anteil daran hatte, das New York vom Kraftzentrum der Kreativen auch zum wichtigsten Umschlagplatz der Kunst wurde. Die Chancen, bei den Rockefellers zwei Mal vom gleichen Edel-Porzellan zu speisen, war gleich null.

1600 Kunst-Objekte kommen unter den Hammer

Ab Dienstag kann, wer über die nötige Liquidität verfügt, eines der wertvollen Porzellane erwerben. Und noch dazu Möbel, Öl-Gemälde, Skulpturen, Teppiche und andere Kunstgegenstände vom Edelsten. Bei Christie’s in New York beginnt am Abend das seit langem prächtigste Ereignis der Auktionsgeschichte: 1600 Kunst-Objekte aus dem Nachlass des im März vergangenen Jahres im biblischen Alter von 101 gestorbenen Nachkommen des Standard Oil-Gründers John D. Rockefeller kommen dann unter den Hammer.

Gerechnet wird bei Christie’s, das sinnigerweise im Rockefeller Center am Rockefeller Plaza an der 5. Avenue mitten in Manhattan seine Verkaufsräume unterhält, mit Einnahmen von 500 Millionen Dollar (etwa 418 Millionen Euro); konservativ geschätzt. Wodurch der bisherige Rekord auf diesem Feld – die 375 Millionen Euro schwere Versteigerung der Sammlung des Modeschöpfers Yves Saint Laurent 2009 in Paris – deutlich übertroffen würde.

Erlös könnte bis zu einer Milliarde US-Dollar reichen

Weil der Kunstmarkt nach dem 450 Millionen Dollar teuren Verkauf eines einzelnen angeblichen Leonardo da Vinci-Werkes („Salvator Mundi“) im vergangenen Jahr aber keine Grenzen mehr zu kennen scheint, gehen die Spekulationen bereits weit darüber hinaus. Der Wirtschaftsdienst Bloomberg kalkuliert bei der teuersten Haushaltsauflösung aller Zeiten mit Erlösen von rund einer Milliarde Dollar.

Auch das Gemälde „Odaliske mit Magnolien“ von Henri Matisse soll versteigert werden.
Auch das Gemälde „Odaliske mit Magnolien“ von Henri Matisse soll versteigert werden. © dpa | Johannes Schmitt-Tegge

Allein Claude Monets berühmte Seerosen und Picassos „Junges Mädchen mit Blumenkorb“ werden zusammen auf rund 200 Millionen Dollar taxiert. Auch Meisterwerke wie die „Odaliske mit Magnolien“ von Henri Matisse (cirka 70 Millionen) und „Die Reede von Grandcamp“ von Georges Seurat (cirka 40 Millionen) warten auf neue Besitzer.

Viele chinesische Interessenten für Rockefeller-Güter

Vermutet werden sie (neben den üblichen Verdächtigen im Öl-reichen Nahen Osten) in Fernost. In Anerkenntnis der globalen Reichtumsverhältnisse haben die Regisseure der seit Monaten durch exklusive Vorbesichtigungen gehypten Veranstaltung die Verkaufskataloge jedenfalls auch in chinesischer Sprache verfasst. In der dort stetig wachsenden Nische der Superreichen dürfte das anmutige Edward Hopper-Gemälde „Cape Ann Granite“ mit sechs Millionen Dollar fast als Schnäppchen durchgehen.

Den angebotenen Kostbarkeiten zwischen französischen Impressionisten und Klassikern der Moderne kommt ein besonderer (Abnutzungs)wert zu. Anders als viele Großsammler, die aus Angst vor Dieben das Gros ihrer Preziosen oft in schwer bewachten Schweizer Zollfreilagern horten, haben die Rockefellers (Gattin Peggy starb 1996) mit den erlesenen Objekten tagtäglich gelebt. Sei es in ihrem Stadthaus in New York. Oder auf ihren Landgütern in Pocantico Hills am Hudson River und auf Mount Desert Island im Ostküsten-Bundesstaat Maine.

Harvard-Universität und „Moma“ unter den Empfängern

Über die Erlöse des Verkaufsmarathons, der bis Donnerstag dauern soll und bei gewissen Losen auch im Internet durchgezogen wird, werden sich am Ende ein gutes Dutzend Institutionen freuen. David Rockefeller, der seine Wurzeln auf den vor 295 Jahren aus Neuwied im heutigen Rheinland-Pfalz nach Amerika ausgewanderten Johann Peter Rockenfeller zurückverfolgen konnte, hat sie vor seinem Tod als Empfänger bestimmt.

Darunter sind so bekannte Adressen wie die Harvard-Universität, der bereits eine große Käfer-Sammlung und zweistellige Millionen-Spenden übereignet wurden. Oder das bekannte „Moma“, das Museum of Modern Art in New York, das einst von David Rockefellers Mutter Abby Aldrich mit aufgebaut wurde. Ihr wird auch nachgesagt, den Star unter den Essgeschirren, die nun veräußert werden, besonders gehegt zu haben. Das orange-rote „Marly Rouge“ wurde seinerzeit für Frankreichs Kaiser Napoleon handgearbeitet. Er nahm die Dessert-Teller und Saucieren, auf denen Motten, Bienen, Wespen und kleine Käfer zu sehen sind, mit ins Exil nach Elba.

Geschätzter Auktionspreis: bis zu 250.000 Dollar.