Essen. Der Gangsterrapper Veysel Gelin ist der böse Bube im TV-Renner „4 Blocks“. Zur Schauspielerei kam er zufällig – überzeugte aber sofort.

Es war gut, diesen Mann hier zu treffen, wo er geboren ist. Für die Foto-Location war es das ganz bestimmt. „Haben wir ein Auto?“, fragt er. Haben wir nicht. „Egal, dann Hinterhof!“ Das sind kaum 30 Schritte ums Eck: eine Prise vergessener Sperrmüll, eine erloschene Leuchtreklame, die erzählt, dass hier irgendwann mal eine Kneipe „Alte Eiche“ hieß. Er posiert keine drei Minuten, da schießt ein Dreijähriger auf den Mann in Weiß zu: „Veysel! Veysel!“

Die Herren kannten sich bis gerade eben nicht, aber der Jüngere, dessen Bilderbuch möglicherweise „Youtube“ heißt, singt kindlich ungelenk „Ti amo“, und Veysel, ein Gangsterrapper auf der Erfolgsspur, stimmt ein. Er kennt den Text, ist ja sein Song („Sesam, öffne dich, mit Waffe bitte!“). Ob er ein Foto ..., fragt der Vater des Jungen. „Kein Thema!“, sagt Veysel und knuffelt den singenden Jungen.

Veysel Gelin – vom Rapper zum Fernsehstar

Wer sagt denn, dass man Gangsterrapper nicht anfassen darf? Als wir wieder drinnen sind, im Kebab-Haus, was in Essens Kiez Altendorf dazugehört wie Checker-Sprache und Begrüßungskuss unter Männern, die sich schätzen. Da erklärt Veysel, also Herr Gelin, ganz in Ruhe: „Es gibt Typen, die rappen über Blumen. Andere rappen über Weiber. Ich rapp über Gangster, Schießen, Straße.“ Eigentlich einfach.

Aber es ist gar nicht der Rap, der uns zu ihm führt. Mit einer wachsenden Schar von Leuten teilen wir die Eigenschaft, auf diesen Mann gestoßen zu sein, weil er durch die Berliner Drama-Serie „4 Blocks“ zur Fernsehberühmtheit geworden ist. Veysel (34), bis dahin ein nicht unpopulärer Vertreter seiner Sparte, ist plötzlich einer, den gesetzte Damen und Herren kennen. Die also, die ihn schüchtern ansprechen, ob er nicht der böse Bube aus der libanesischen Kriminellensippe sei. „Nee“, korrigiert Gelin, „die sagen: Sie sind doch Abbas aus ‚4 Blocks‘. Die wissen, wie der heißt!“

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Gelernt hat Veysel Gelin Maler und Lackierer

Veysel Gelin lacht ein bisschen darüber, dass sie Respekt haben vor dem Typen mit dem geschorenen Kopf, der fetten Kette, dem rasant gestutzten Vollbart. Man sieht ja im Fernsehen, was der macht: schlimme Sachen. „Ist doch bloß ein Drehbuch“, sagt Gelin – obwohl er auch dem gelegentlich aufhilft. „So einen Satz würde ein arabischer Kurde nicht raushaun“, hat er dem Regisseur erst noch (Staffel 2 wird gerade gedreht) erklärt.

Nun ist er also Schauspieler, jener Autodidakt Gelin, dem die Schule mal mehr, eher aber weniger gefiel, der „viel chillte“, zu dem der Rap erst fand, als er Mitte 20 war. „Was sind Sie, Unterhaltungskünstler?“ „Nur Künstler“, sagt er, der gelernte Maler und Lackierer, in dessen Rap nicht gerade Friedenstauben flattern, und der nicht uncharmant offenlässt, was daran Botschaft ist, was Entertainment.

Casting-Chefin war gleich hin und weg

Wie das überhaupt kam mit dem Film? „Liest du eigentlich nie deine Mails?“, fragt ihn 2016 ein Kumpel. Veysel – in Essen geboren als Kind kurdischer Eltern aus der Türkei – liest. Es ist ein Ruf zum Casting. Der Schauspieler Kida Khodr Ramadan hat ihn empfohlen. Gelin liebt die Performance, bringt Kolorit mit (manche nennen Altendorf den Wilden Westen) und eine Präsenz, die Casting-Chefin Iris Baumüller umhaut: „Eine Naturgewalt!“ Gelin, angereist für eine Nebenrolle, kriegt den Zuschlag für eine Hauptrolle. Regisseur Marvin Kren schwärmt: „Das Krasseste, was ich je gesehen habe.“

Es gibt einen langen Schatten in dieser ungewöhnlichen Karriere. In einer Zufallsbegegnung auf der Straße – der Richter wird später von „Imponiergehabe“ sprechen – versetzt 2009 der 25-jährige Gelin seinem Gegenüber einen einzigen Faustschlag. Der andere überlebt nicht. Körperverletzung mit Todesfolge, Gelin muss ins Gefängnis. Früher hat er darüber gesprochen, den Schock, die Schuld. Inzwischen möchte er lieber schweigen.

Veysel Gelin hat wenig Sehnsucht nach Glamour

In Altendorf ist Veysel geblieben. Nicht nur hier, auch in Berlin bilden sich Trauben, wenn er durch die richtigen Viertel geht. Weil sie den Rapper erkennen, der ihre Sprache spricht. Sind sie ihm lieber als die Leute auf dem roten Teppich wie letzten Februar bei der Goldenen Kamera? „Is mal ganz schön, aber das sind auch alles nur Menschen, die auf Klo gehen wie du und ich“, antwortet Veysel Gelin. Also gar kein Grund, stolz zu sein? Er lächelt leicht. „Ach, stolz? Mann, da geht noch mehr!“