Deutsche Forscher züchten Gemüse in der Antarktis. Ihr Spezial-Gewächshaus soll irgendwann einmal im Weltraum Astronauten versorgen.

Der Stolz steht ihm ins Gesicht geschrieben: 70 Radieschen, 3,6 Kilogramm Salat und 18 Gurken hat Paul Zabel geerntet. Strahlend zeigt er seine Ausbeute auf Fotos in den sozialen Netzwerken. Für normale Hobbygärtner ist eine solche Ernte kaum eine Nachricht wert. In Zabels Fall schon: Sein Gewächshaus steht in der Abgeschiedenheit der Antarktis, es ist eine Art Versuchslabor, das auf seine All-Tauglichkeit getestet wird.

Denn Mond und Mars sind das eigentliche Ziel von Raumfahrtingenieur Zabel und seinen Kollegen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen. Das von ihnen entwickelte Gewächshaus soll irgendwann Astronauten bei der Erkundung im Weltraum versorgen. Und nicht nur das: Es soll die grüne Lunge der Raumstationen sein. Es soll für die Astronauten Sauerstoff zum Atmen herstellen und Wasser reinigen.

„Eden-ISS“ ist ein geschlossenes System

Das seit Januar existierende Projekt „Eden-ISS“ ist ein geschlossenes System, ausgestattet mit künstlichem Licht, Wärme und genau gesteuerter Zufuhr von Nährstoffen und Wasser. Die Kreisläufe sind geschlossen, Luft und Wasser werden regelmäßig recycelt. Alles, was im Gewächshaus passiert, wird von weiteren Mitarbeitern in einem Kontrollraum in Bremen auf großen Bildschirmen überwacht.

Während die Temperaturen in der Antarktis langsam auf Werte unter minus 20 Grad Celsius fallen und auch die Sonne nur noch flach über dem Horizont steht, sprießt und gedeiht die Pflanzenzucht im Versuchsgewächshaus nahe der deutschen Polarforschungsstation „Neumayer III“ des Alfred-Wegener-Instituts.

„Das Gemüse wird schon sehnlichst erwartet“

„Die Pflanzen wachsen wie verrückt“, sagt Zabel. Jeden Tag stapft der DLR-Mitarbeiter dick eingepackt 400 Meter durch den Schnee ins Gewächshaus, sät Salat, schneidet Tomatenpflanzen zurück und überprüft, ob es seinen Zöglingen gut geht.

„Das Gemüse wird schon sehnlichst erwartet“, sagt Zabel. An der „Neumayer“-Station III sind derzeit zehn Überwinterer untergebracht. Während des antarktischen Winters ist die Polarforschungsstation von der Außenwelt abgeschnitten. Über Wochen muss die Besatzung von den Vorräten zehren, die mit der letzen Lieferung Ende Februar ankamen.

Der Salat schmeckt wie frisch aus dem Garten

Die Bewohner der Antarktis-Station freuen sich über die frische Ergänzung auf ihrem Speiseteller. „Es war etwas Besonderes, den ersten frischen Salat der Antarktis vor Augen zu haben“, sagt Stationsleiter Bernhard Gropp. „Er hat geschmeckt, als hätten wir ihn frisch im Garten geerntet.“

Auch das Gärtnern in der Abgeschiedenheit ist eine Herausforderung: Zabel muss mit den vorhandenen Ressourcen auskommen, Nachschub gibt es nicht. Ähnlich müssen sich Astronauten fühlen.

Eine Kamera fotografiert alle Pflanzen

Projektleiter Daniel Schubert blickt auf die vielen Bildschirme im Bremer Kontrollraum. Von dort überwachen er und sein Team alles, was im Gewächshaus passiert. Monitore zeigen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt an. Eine Kamera fotografiert alle Pflanzen.

In acht Regalen sprießen auf mehreren Etagen grüne Salate, gelb blühende Tomatenpflanzen, Basilikum, Schnittlauch, Petersilie, Gurken, Kohlrabi und kleine Rucola-Setzlinge. „Die wachsen schneller als unter normalen Bedingungen“, sagt Schubert. Alle fünf Minuten werden die Wurzeln der Pflanzen computergesteuert mit einer Nährstofflösung besprüht, sie bekommen mehr Licht und Kohlendioxid als normalerweise.

Luft und Wasser werden immer wieder recycelt

Besonders wichtig für das Projekt sind die geschlossenen Kreisläufe. Luft und Wasser werden immer wieder recycelt, wie es im Weltraum auch sein müsste.

Allerdings führen die DLR-Forscher über Flaschen zusätzliches Kohlendioxid zu, das die Astronauten auf einer echten Raumstation ausatmen würden. Auch Wasser müssen sie teilweise ergänzen, denn das wird im Gemüse gebunden und mit der Ernte dem Kreislauf entnommen. Wie viele Ressourcen die Forscher in das Gewächshaus geben müssen und wie viel Ertrag dabei herauskommt, soll am Ende des einjährigen Projekts feststehen.

Die Funktionsweise ist wissenschaftlich noch nicht verstanden

Wie solche künstlichen Lebenswelten – Habitate genannt – funktionieren, daran forscht auch Klaus Slenzka, Chefwissenschaftler der Lebenswissenschaften beim Bremer Raumfahrtkonzern OHB. „Was muss ich vorne reingeben und was kommt hinten raus? Das ist wissenschaftlich noch nicht verstanden.“ Alle Habitate, die für die Forschung bisher auf der Erde betrieben worden seien, hätten nicht genug Nahrung produziert, sagt Klaus Slenzka. „Die Testpersonen haben alle abgenommen.“

Deshalb arbeitet Slenzka erst mal nur im kleinen Maßstab. Sein Habitat ist ein Aquarium mit einer grünen Brühe aus Algen und Bakterien. „Das geschlossen zu betreiben ist schon eine Herausforderung.“ Denn die Algen müssen in dem Habitat kontinuierlich wachsen. Es müssen immer so viele absterben und verrotten, wie neue entstehen. „Sonst produziert man Abfall und braucht neue Ressourcen“, sagt Slenzka.

Anbau ist Voraussetzung für Flüge zum Mars

Die Versorgung des Menschen wäre auch eine notwendige Voraussetzung für einen bemannten Flug zum Mars. Allerdings ist klar, dass die „Eden-ISS“, so wie sie ist, nicht auf dem Mond oder dem Mars stehen könnte. „Die Technologien sind da“, sagt Projektleiter Schubert. Doch bis das Gewächshaus tauglich für das Weltall sein wird, brauchen die Wissenschaftler noch mindestens 15 Jahre.