Köln. Pianist, Komponist, Rampensau: Der 46-Jährige ist ein Musiker für alle Generationen. Kollegen wie Daft Punk schätzen seine Fähigkeiten.

Mit seinen zwei „Solo Piano“-Alben hat er Geschichte geschrieben, so sagt man unter Musikern und Fans. Die Platte werde man in hundert Jahren noch hören – genauso wie Bach und die Beatles. Er spielte mit Weltstars wie Daft Punk, Peaches, Jarvis Cocker und Komiker Helge Schneider, immer im Morgenrock, zu Pressekonferenzen auch gerne mal im rosa Anzug. Einen besseren Job für das Fortleben der Klassik, für den Zusammenprall von Klavier mit Stilen wie Elektro und Jazz hat keiner gemacht als Chilly Gonzales (46).

Doch man wird gesetzter – auch „Gonzo“ wird es, der bürgerlich Jason Charles Beck heißt und aus Kanada stammt. Im Kölner Viertel Neustadt-Süd, unweit eines Klaviergeschäfts und guter Saft- und Kaffeebars, genießt der Pianist und Produzent mittlerweile das Leben eines Musikprofessors, wie er selbst sagt. Betagt, entspannt, noch neugierig.

Auftritte in großen Konzertsälen

Nach exaltierten Jahren in Paris und Berlin ist nun Köln seit vier Jahren seine Heimat. „Ich mag das Tempo der Stadt, es ist nicht so schnell wie in anderen europäischen Metropolen“, sagt er dieser Zeitung. Er gehe auch nicht mehr so viel aus wie früher. Wenn Künstler und Kollegen eine Aufnahme oder einen Austausch wollen, dann kommen sie eben zu ihm – das Privileg des etablierten Meisters.

In den vergangenen 20 Jahren machte sich Gonzales einen Namen, tourte durch die ehrwürdigsten Konzertsäle der Welt, erntete stehende Ovationen, brachte die Menschen zum Mitsingen, Füßetrommeln. Sein Publikum besteht dabei immer aus allen Generationen und Typen: der Hipster mit dem Vollbart, der Rentner im Anzug, Kinder, die lachen, weil er viel improvisiert und herumalbert.

Erstes gemeinsames Live-Konzert am Berliner Teufelsberg

Und nicht zuletzt sind da sicherlich auch die Frauen ganz allgemein, die sich den 1,90 Meter großen Virtuosen in seinem typischen Morgenrock gerne aus den ersten Reihen ansehen wollen. „Der Morgenrock hat etwas Privates. Als wenn ich die Leute in mein Wohnzimmer einladen würde“, sagt Chilly Gonzales. Der Raum bekomme so etwas Intimes. Dennoch, betont er, habe er großen Respekt vor den alten Sälen, der Kultur des Klavierkonzertes. Und dass Familien kommen, das ist ihm sehr wichtig. Im Jahr 2014 gab er ein Klavier-Notenbuch für Anfänger heraus. Darin enthalten sind Stücke mit sehr klarer Melodieführung. Ein bisschen Chopin, ein bisschen Pop-Anklänge.

Parallel arbeitete er damals mit dem gebürtigen Hamburger Alexander Ridha alias Boys Noize zusammen, um unter dem Projektnamen Octave Minds ein gleichnamiges Album zu produzieren. Am 3. September 2015 gaben sie ihr erstes gemeinsames Live-Konzert am Berliner Teufelsberg, ein verlorener Ort in der Hauptstadt, der auch schon Hollywood-Regisseur David Lynch magisch anzog.

Für Daft Punk spielte er Klavier – danach war er ein Weltstar

Chilly Gonzales mag das Auffällige, das Aktionistische, den Zusammenprall in der Musik. Klassik, US-Gangster-Rap, Elektro wie bei Boys Noize und Daft Punk.

Mit Letzteren nahm er im Jahr 2013 die Nummer „Within“ auf. Der Track erschien auf dem Album „Random Access Memories“, dem vierten Studioalbum von Daft Punk. Es verkaufte sich weltweit 2,3 Millionen Mal und war im Jahr des Erscheinen bei Internet-Musikdienst Itunes das meistgekaufte Album des Jahres. „Ich finde die Vorstellung, dass Musikstile rein sein müssen, unerträglich“, sagt Gonzales. Das passe nicht in unsere Zeit, es sei schlecht wie die grassierende Idee des Nationalismus in Europa.

„Nur Kinder können Musik komplett erfassen“

Das möchte er auch jungen Talenten weitergeben – die Lust am Spiel mit den Genres, den Kontakt zum Publikum, die Nuancen, die aus einem Orchester-Musiker einen Entertainer machen. Dafür hat er nun das „Gonzervatorium“ gegründet. Über einen Online-Aufruf suchte er Künstler, die durch ein Video anderen ihre Musik näherbringen sollten. Er bekam 700 Einsendungen aus 63 Ländern. Aus diesen wählte er sieben Musiker aus, die er jetzt ausbilden möchte.

Dazu veranstaltet er am Gründonnerstag ein „Gonzervatory“-Benefizkonzert in der Düsseldorfer Tonhalle. Mit dabei als Gäste: Malakoff Kowalski und ­Olga Scheps und Hauschka. „Das Konzert findet um 16 Uhr statt“, sagt Gonzales. Deshalb hofft er, dass viele Familien an diesem ­Ostertag kommen werden. „Nur Kinder können Musik komplett erfassen, weil sie frei und sorglos sind.“