Hannover. Sterben Hund und Katze, werden sie immer öfter wie Angehörige in Urnen auf dem Friedhof bestattet. Auch bei Pferden nimmt der Trend zu.

Immer wieder hat Mirja K. (46) diese Bilder ihres Jack Russell Terriers im Kopf: wie ihre Coco, die kecke Hundedame, die Zeitung bringt. Wie sie putzig im Körbchen liegt und dabei frechweg die Reste vom Marmorkuchen verputzt. Für Mirja, Mutter zweier erwachsener Kinder, war Coco das ganz große Glück.

Doch dann bekam die Hundedame Krebs. Sie erblindete, wurde taub. Und Mirja, von Beruf Krankenschwester, beschloss, ihren Liebling einschläfern zu lassen. Eine schwere Entscheidung. Und nur erträglich, weil sie Coco auch nach dem Tod immer noch bei sich haben durfte: in der Urne in ihrem Wohnzimmer.

So wie Mirja geht es vielen. Die Internetforen sind voll von Frauchen und Herrchen, die ihre Vierbeiner auch nach dem Tod in ihrer Nähe wissen wollen. „Tierkörper-Beseitigung“ – das ist für viele der mehr als 20 Millionen Hunde- und Katzenbesitzer eine grausame Vorstellung. Sie wünschen sich, dass auch ein Tier mit Ehre bestattet wird. Mit Leckerli aus Plastik und einem letzten Gruß: „Du hast Bälle gefangen, bist mit uns gegangen – wir vergessen dich nie.“

Trennung bei Tieren ähnlich schwierig wie bei Menschen

Lange haben Wissenschaftler die Bindung zwischen Mensch und Tier ­ignoriert oder abgetan. Doch nach und nach hat diese unerschütterliche Liebe auch Forscher aufmerksam gemacht. Einer von ihnen ist Dirk Preuß von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Auf der Tagung „Ciao Bello“ hat er nun versucht, gemeinsam mit rund 30 Ärzten, Tierhaltern und Experten das Phänomen zu ergründen. Sein Fazit: „Haustiere sind zur Kernfamilie geworden – sie gehören dazu wie zwei Kinder und das Reihenhaus.“

ARCHIV - 30.07.2015, Niedersachsen, Hannover: Eine Grabstelle für einen Hund wirdauf einem Tierfriedhof gepflegt. (zu dpa
ARCHIV - 30.07.2015, Niedersachsen, Hannover: Eine Grabstelle für einen Hund wirdauf einem Tierfriedhof gepflegt. (zu dpa "Nachfrage nach Urnenbestattungen von Haustieren steigt" vom 23.03.2018) Foto: Holger Hollemann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © dpa | Holger Hollemann

Eine Trennung sei also bei Tieren ähnlich schwierig wie bei Menschen. Rex oder Mieze in der Urne helfe vielen, über den Schmerz hinwegzukommen. „Fast niemand überlässt das Haustier nach dem Einschläfern noch der Tierklinik oder Praxis“, so Julia Tünsmeyer von der Hochschulstiftung. Zudem sind die Urnen für die Betroffenen auch ein Blickfang: Es gibt sie in Weiß, Schwarz, Rot oder Blau. Mit Herzchen oder Pfoten verziert. Aus Edelstahl und mit treuem Hundeblick.

Auch Mirja, die in Cocos letzten Lebensjahren etwa 4000 Euro für Operationen ausgegeben hatte, bestellte sich im Internet ein Exemplar: pinkfarbener Sockel, goldene Gravur, darauf eine Jack-Russell-Terrier-Figur aus Porzellan, die den aufgeweckten Blick der Rasse imitiert. „Ich habe so das Gefühl, dass Coco immer noch bei mir ist“, sagt sie. „Und ja, ich spreche auch mit ihr.“

Auch Pferde werden häufiger eingeäschert

Inzwischen ist durch zwei Katzen wieder Leben im Apartment. Weil die aber Cocos Urne fast vom Kaminsims geholt hätten, musste eine Vitrine her. Um die Urne herum stehen nun Bilder aus Cocos Lebzeiten. „Andere stellen sich einen Buddha-Schrein in die Wohnung“, sagt sie. „Für mich ist das meine Ecke, an der ich Kraft tanke.“

Für Menschen ohne Haustier mag das seltsam klingen. Nicht alle können diese Rituale nachvollziehen, die von Millionen Menschen praktiziert werden. In deutschen Wohnungen leben immerhin 8,6 Millionen Hunde und 13,4 Millionen Katzen. Dazu halten die Deutschen unzählige Fische und mehr als eine Million Pferde. Bei Letzteren sei auch ein Trend zur Einäscherung zu bemerken, so Experten.

Nicht jeder will jedoch die Urne im Regal stehen haben. Mancher lässt sich die Asche in einen Schmuckanhänger pressen oder findet Frieden, wenn er seinen verstorbenen Labrador, Dackel oder Bull Terrier in der Urne auf dem Friedhof besuchen kann.

In Deutschland gibt es 150 Tierfriedhöfe

Tierbestatter spüren die Nachfrage. Beispielsweise die Firma Rosengarten im niedersächsischen Badbergen, die deutschlandweit pro Jahr zwei bis drei neue Filialen eröffnet. Sie bietet einen „würdevollen Abschied“, bei dem das Tier vor der Kremierung von Tüchern bedeckt zwischen Rosenblättern im Kerzenschein aufgebahrt wird.

Martin Struck, Vorsitzender des Bundesverbands der Tierbestatter, spricht von 150 Tierfriedhöfen deutschlandweit. Die Beisetzung eines Kleintiers koste etwa zwischen 40 und 300 Euro. Aber das Geld würde gern gegeben. „Tiere sind treue Begleiter. Menschen sind Biester“ – auch dieser Spruch ist auf einem Grabstein zu lesen.

Wer sich auch nach dem Tod nicht trennen möchte, kann sich mittlerweile auch zusammen mit seinem Haustier bestatten lassen. Die Asche von Mensch und Tier könne jeweils in Urnen nebeneinander begraben werden. Möglich in Braubach bei Koblenz oder im „Unser Hafen“ in Essen. Die Nachfrage sei hoch, heißt es.