Lübeck. Der Weiße Ring hilft Opfern von Verbrechen. In Lübeck soll ein langjähriger Leiter seine Rolle als Vertrauensperson ausgenutzt haben.

Der ehemalige Leiter der Lübecker Außenstelle des Weißen Rings steht unter dem Verdacht, zwei Frauen sexuell belästigt und genötigt zu haben, die sich dem Opferhilfeverein anvertrauten. Die Frauen im Alter von 40 und 50 Jahren stellten Strafanzeige gegen den 73-jährigen pensionierten Polizeihauptkommissar, wie die „Lübecker Nachrichten“ und „Der Spiegel“ berichten. Seit dieser Woche lägen der Staatsanwaltschaft die Anzeigen vor.

Der Beschuldigte wies die Vorwürfe zurück. „Das ist ehrverletzend und widerlich“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er wisse von keiner Anzeige, habe aber selbst Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede erstattet. Für den Weißen Ring habe er weit mehr als 1000 Fälle betreut.

Beschwerden häuften sich

Der Weiße Ring habe von ähnlichen Vorwürfen im November 2016 erfahren, sagte der Landesvorsitzende, der frühere Justizminister von Schleswig-Holstein, Uwe Döring, der Zeitung. Daraufhin sei mit dem Mann vereinbart worden, dass er keine Frauen mehr unter vier Augen zur Beratung empfangen durfte. Im Juli 2017 habe der Verband den Mitarbeiter zum Rücktritt als Außenstellenleiter gedrängt.

Letzter Auslöser dafür sei ein Hinweis der Polizeidirektion gewesen, dass sich auch dort eine Polizistin „über ein verbal zudringliches und sexuell belästigendes Verhalten“ beschwert habe. Von Frauen seien bei einer Hotline seit Jahresanfang zehn weitere Fälle geschildert worden, die den 73-Jährigen belasten sollen.

Döring tritt zurück

Nach den Vorwürfen ist der Landesvorsitzende des Weißen Rings Schleswig-Holstein, der frühere Justizminister Uwe Döring, zurückgetreten. Er wolle Schaden vom Weißen Ring, der sich seit Jahrzehnten engagiert für Kriminalitätsopfer einsetze und auf Spenden angewiesen sei, abwenden, sagte Döring am Samstag in Neumünster.

Döring wies den Vorwurf, zu spät reagiert zu haben, zurück. Die ersten Belästigungsvorwürfe seien im November 2016 erhoben worden. Im Juli 2017 wurde dem Mann verboten, Opferfälle zu bearbeiten, formal schied er im November 2017 aus dem Weißen Ring aus.

Frauen sollten sich prostituieren

Die zwei Frauen, die unabhängig voneinander Anzeige erstatteten, untermauerten ihre Aussagen mit Eidesstattlichen Versicherungen, die den „Lübecker Nachrichten“ vorliegen. Danach sollen sie in Beratungsgesprächen sexuell belästigt worden sein. Der leitende Mitarbeiter des Weißen Rings habe ihnen zudem empfohlen, als Prostituierte zu arbeiten. Laut „Spiegel“ soll sich der Mann vor einer Frau auch entblößt haben.

Demütigungen und Schläge: Flucht vor Gewalt in der Partnerschaft

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    Hinweise auf ein Fehlverhalten des Beraters gegenüber Frauen sollen laut „Spiegel“ schon 2012 bei der Lübecker Polizei und der Beratungsstelle Lübecker Frauennotruf eingegangen sein. Die Polizei habe seit Ende 2016 keine weiblichen Opfer von Sexualstraftaten mehr zum Weißen Ring in Lübeck geschickt, berichtete das Nachrichtenmagazin.

    Zunächst war nur von „Grenzverletzungen“ die Rede

    In einer vom Bundesverband des Weißen Rings in Mainz aufgesetzten „Presse-Handreichung“ vom Januar 2018 hatte der Verein laut „Spiegel“ die Hintergründe der Trennung – nämlich den Vorwurf der sexuellen Belästigung – verschwiegen. Stattdessen sei nur von „Grenzverletzungen“ die Rede gewesen. (dpa)