Bochum. Auf einem Bochumer Friedhof wird eine Frau vergewaltigt. Die Polizei nimmt einen Verdächtigen fest. Und steht dennoch in der Kritik.

Nach der Vergewaltigung einer Frau auf einem Friedhof in Bochum ist die Polizei in die Kritik geraten, weil sie über den Fall nicht berichtet hatte. Ein Polizeisprecher bestätigte am Mittwoch das Verbrechen vom 18. Februar. Um das schwer mitgenommene Opfer zu schützen, habe man sich damals bewusst dagegen entschieden, den Fall zu veröffentlichen.

Ein Opfer werde durch die mediale Berichterstattung erneut mit der Tat konfrontiert. „Wir wissen von Psychologen, dass dies für die Opfer oft sehr belastend ist.“ Dennoch sei es aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen, die Festnahme des einschlägig vorbestraften Bochumers nicht mitzuteilen.

30-jähriger Verdächtiger vorbestraft

Zunächst sei es aber auch darum gegangen, den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Der mutmaßliche Vergewaltiger, ein Deutscher, sitze seit dem 23. Februar hinter Gittern. Er soll die Frau mit einem Stein bewusstlos geschlagen und sich dann an ihr vergangen haben. Das Opfer habe, wieder zu Bewusstsein gekommen, noch mitbekommen, dass der Mann nach der Tat in ein Taxi gestiegen sei.

Den Ermittlern sei es gelungen, den Taxifahrer ausfindig zu machen und dann auch den Fahrgast. Bei dem 30 Jahre alten Verdächtigen handele es sich um einen vorbestraften Sexualverbrecher. Die „Rheinische Post“ hatte zuerst berichtet.

Innenminister kritisiert Polizeiarbeit

Nach der Tat steht die Polizei in Bochum in der Kritik.
Nach der Tat steht die Polizei in Bochum in der Kritik. © Ingo Otto | Ingo Otto

„Die Pressearbeit in dem Bochumer Fall entspricht nicht meinem Verständnis von Transparenz“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Ich erwarte von allen Polizeibehörden im Land, dass in Zukunft in vergleichbaren Fällen transparent und offensiv kommuniziert wird.“

In Nordrhein-Westfalen stehen derzeit 1056 Sexualstraftäter unter Aufsicht von Polizei und Justiz, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts am Mittwoch auf Anfrage. Für Sexualstraftäter, die ihre Strafe verbüßt haben, wurde 2010 das Programm „Kurs“ („Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“) geschaffen.

Statistisch mehr als sechs Sexualstraftaten pro Tag

„Während die Wissenschaft von einer Rückfallquote dieser Straftätergruppe zwischen 20 und 24 Prozent ausgeht, haben wir im Kurs-Programm eine Rückfallquote von etwa drei Prozent“, sagte der LKA-Sprecher.

Jeder Sexualverbrecher wird in einer Fallkonferenz in eine Gefährdungsstufe eingeteilt. Danach unterscheidet sich die Intensität der Beobachtung. Maßnahmen reichen von einer Gefährderansprache bis zur Observation. „Wenn etwa ein Täter, der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde, eine Beziehung zu einer Frau mit Kindern aufnimmt, würden wir mit ihr reden.“

Bei mutmaßlichem Täter sei Sozialprognose gut gewesen

Im Fall des 30-jährigen Bochumers sei die Sozialprognose gut gewesen, teilte die Bochumer Polizei mit: Er habe eine feste Partnerin gehabt, feste Arbeit und habe Therapieangebote wahrgenommen.

Dass regelmäßig nur ein Teil der Sexualverbrechen bekannt wird, zeigt schon ein Blick in die Kriminalstatistik: 2016 wurden in NRW 2320 Vergewaltigungen und besonders schwere sexuelle Nötigungen registriert. Das sind statistisch gesehen mehr als sechs schwere Sexualstraftaten pro Tag. (dpa)