Washington. Dass der Sex mit Bill Clinton „einvernehmlich“ war, will Monica Lewinsky nun nicht mehr gelten lassen. „#MeToo“ habe ihr Mut gemacht.

Monica Lewinsky hätte auf diese Weihnachtsüberraschung gerne verzichtet. Die Frau, mit der Bill Clinton eine außereheliche Affäre hatte, kam an Heiligabend 2017 mit ihren Eltern gerade festlich gestimmt aus einem Restaurant in Manhattan. Als sie zum ersten Mal unfreiwillig dem Mann in die Arme lief, der ihr 1998 mit fast 30 Jahren Gefängnis drohte, ihre Familie in Sippenhaft nahm und intimste Details über die 16-monatige Liaison der damaligen Praktikantin im Weißen Haus mit dem Commander-in-Chief der Weltöffentlichkeit zum Fraß vorwarf: Kenneth Starr. Sonderermittler und Schlüsselfigur im (vorläufig) letzten Amtsenthebungsverfahren eines amerikanischen Präsidenten.

Allein die Schilderung dieser Begegnung – der kurze Schock bei Lewinsky, ihre sanfte Kritik am inquisitorischen Furor des vergeblich auf Clintons „Abschuss“ fixiert gewesenen Anklägers, dann Starrs unbeholfenes Armtätscheln und sein lauwarmes „Es war unglücklich“-Herausreden – lohnt die Vorablektüre der März-Ausgabe von „Vanity Fair“.

Bill Clinton hätte 1998 „zurücktreten müssen“

Zum zweiten Mal nach 2014 nimmt Monica Lewinsky (44) die Leser des inhaltlich regelmäßig hochglänzenden Magazins mit auf eine öffentliche Selbsttherapiestunde. Man versteht danach besser, warum lebensverändernde Momente der fortlaufenden Neubewertung bedürfen. Eine solche hatte sich im vergangenen Herbst bereits angekündigt. Je öfter machtbesessene Promi-Männer im Gefolge von Hollywoodproduzent Harvey Weinstein zwangsgeoutet wurden, desto häufiger leisteten jene zaghaft Abbitte, die Lewinsky einst als „Schlampe“, „Tussi“, „Hure“, „Fellatio-Königin“ und „berechnende Verführerin“ verunglimpft hatten.

Bill Clinton habe in „historischem Ausmaß“ eine „Machtkonstellation ausgenutzt“, sagte plötzlich die ehemalige Kommunikationschefin der gehörnten Präsidentengattin Hillary Clinton. Kirsten Gillibrand, demokratische Senatorin aus New York und dem Clinton-Clan engstens verbunden, ging noch einen Schritt weiter. Bill Clinton hätte 1998 aus Gründen der politischen Hygiene definitiv „zurücktreten müssen“, erklärte sie rückblickend.

Monica Lewinsky als Praktikantin mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton.
Monica Lewinsky als Praktikantin mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. © imago/UPI Photo | imago stock

Mit „Solidarität“ kann Geschichte neu geschrieben werden

So weit geht Lewinsky, die sich beim Verfassen der Gedanken lebensklug selbstkritisch beobachtet, nicht. Aber sie nimmt, ohne ihre Verantwortung zu leugnen („Ich bereue es jeden Tag“), eine Korrektur vor: Dass der Sex mit Clinton „einvernehmlich“ und „nicht erzwungen“ gewesen sei, wie sie vor vier Jahren schrieb, diese Lesart ist für sie „hinfällig“ geworden.

Auslöser: die „#MeToo“-Bewegung. Dutzendfache, mutige Bekenntnisse von Frauen, die sich gegen ihre Peiniger zur Wehr setzen, haben Lewinsky nicht nur „Bewunderung“ abgetrotzt und zum ersten Mal das Gefühl gegeben, dass mit „Solidarität“ Geschichte nicht um-, aber neu geschrieben werden kann. Sondern auch den Blick dafür geschärft, dass in ihrem Fall der Weg ins Verderben über „unangemessenen Missbrauch von Autorität, gesellschaftlicher Stellung und Privilegien“ führte.

„Er war mein Boss“, schreibt die von Feministinnen bewunderte Frau, die in Poptexten von Beyoncé bis Eminem verewigt ist, „er war der mächtigste Mann auf dem Planeten. Er war 27 Jahre älter; mit genug Lebenserfahrung, um es besser zu wissen.“

Lewinsky stand sie vor fünf Jahren wieder auf

Lewinsky leidet seither an posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD), deren Behandlung „teuer“ und nicht abgeschlossen seien. Während Clinton als honoriger Weltbürger seinen humanitären Geschäften nachgeht, musste sich Lewinsky auch noch Jahre danach brutal durchs globale Mediendorf schleifen lassen. Lange bevor „Cybermobbing“ oder „Slutshaming“ gängige Begriffe wurden. Erst verkroch sie sich. Dann stand sie vor gut fünf Jahren wieder auf. Mit der in sozialen Netzwerken grassierenden Kultur der Erniedrigung und Hetze will sie sich nicht abfinden.

Als begehrte Motivationsrednerin hat sie dem „Blutsport“ den Kampf angesagt, bei dem im Internet mit Belästigung, Ehrabschneidung und Zurschaustellung Millionen verdient würden. Einzige Währung: Klicks. Umso bemerkenswerter gestern die zahlreichen Respektbezeugungen in vielen Foren für die „Würde“ und „Weisheit“, mit der Lewinsky ihren eigenen „Reifungsprozess“ öffentlich vorantreibe.

Während Clinton bisher eisern schweigt. „Es tut mir leid, dass du damals so allein warst“, schrieb neulich eine „#MeToo“-bewegte Frau in einer E-Mail. Für Monica Lewinsky ein ersehnter „Endlich!“-Moment. Sie brach in Tränen aus.