Essen. Bei der Essener Tafel werden nur noch Menschen mit deutschem Pass aufgenommen. Dafür gibt es harte Kritik, auch von anderen Tafeln.

Die Essener Tafel erntet für ihren Aufnahmestopp von Ausländern harte Kritik: „Das ist nicht menschenwürdig“, sagt etwa CDU-Politiker Miguel Martin González Kliefken zur Ausgrenzung von Menschen ohne deutschen Pass.

„Die Tafel ist ein Institution, die Bedürftigen hilft – und das sollte unabhängig davon geschehen, wo jemand geboren ist“, sagt der Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt.

„Hunger unterscheidet nicht nach dem Pass“

Der Vorsitzende der Essener Tafel, Jörg Sartor, hatte der „WAZ“ sein Vorgehen damit erklärt, dass Flüchtlinge und Zuwanderer zwischenzeitlich 75 Prozent der insgesamt 6000 Nutzer ausgemacht hätten.

Jörg Sator, der Vorsitzende der Essener Tafel.
Jörg Sator, der Vorsitzende der Essener Tafel. © dpa | Roland Weihrauch

Christine Müller-Hechfellner, Sprecherin der Ratsfraktion der Grünen, plädiert für eine Entscheidung im Einzelfall und gegen eine „pauschale Ablehnung von Bedürftigen nach Aktenlage über die Staatsangehörigkeit.“ Auch Jules El-Khatib, Essener Mitglied im Landesvorstand der Partei Die Linke in NRW, betont: „Hunger unterscheidet sich nicht anhand des Passes.“

Caritas: die falschen Menschen werden bestraft

Für ein „falsches Signal“ hält auch Björn Enno Hermans, Direktor der Essener Caritas, den Aufnahmestopp bei der Tafel. „So werden auch Menschen bestraft, die sich angemessen verhalten, nur weil sie die ‘falsche’ Nationalität haben.“

Insgesamt beurteilt er die Situation aber ambivalent, zeigt Verständnis für den Wunsch, dass auch andere Zielgruppen – etwa ältere Menschen oder Alleinerziehende – wieder stärker vom Angebot der Tafel profitieren sollen.

Kritik von anderen Tafeln

In der Diskussion haben sich auch mehrere Tafeln anderer Städte geäußert. So lehnt die Berliner Tafel den Aufnahmestopp für Migranten nach dem Vorbild der Helfer in Essen ab. „Für die Berliner Tafel gibt es keine Bedürftigen erster oder zweiter Klasse“, betonte die Vorsitzende Sabine Werth. Deshalb prüfe Berlin bei der Aufnahme neuer Kunden allein die Bedürftigkeit, etwa anhand von Renten-, Hartz IV- oder Asylbescheiden. „Wir orientieren unser Handeln an der Mitmenschlichkeit und spielen die Bedürftigkeit der vielen Menschen in Berlin nicht gegeneinander aus.“

Lebensmittel werden in der Ausgabestelle der Essener Tafel einsortiert.
Lebensmittel werden in der Ausgabestelle der Essener Tafel einsortiert. © dpa | Roland Weihrauch

Das einzige Kriterium dafür, wer Lebensmittel bekomme, sei die Bedürftigkeit, unabhängig von Religion, Herkunft und Hautfarbe, sagte der auch Geschäftsführer der Hamburger Tafel, Christian Tack, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. In Hamburg werde ihm nicht gespiegelt, dass es Stress wegen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe gebe, sagte Tack. Unmut gebe es nur dann, wenn keine Ware mehr da sei oder Menschen lange warten müssten. „Aber das hat nichts mit der Nationalität zu tun.“

Der Dachverband „Tafel Deutschland e.V.“ betont, die Hilfe der gemeinnützigen Essensausgaben sei für alle gedacht, die dieser Unterstützung bedürften.

Pro Asyl sieht Diskriminierung

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl empfindet den Aufnahmestopp als diskriminierend: „Die Trennung nach deutschem oder nicht-deutschem Pass ist sehr, sehr ungünstig“, sagt Inka Jatta, Mitglied der Geschäftsführung von Pro Asyl Essen.

„Das widerspricht aus unserer Sicht dem allgemeinen Gleichbehandlungsgetz.“ Auch sollte jeder, der mittellos ist, Anspruch darauf haben Hilfe zu bekommen.

Entscheidung im Einzelfall

Doch Pro Asyl verurteilt das Vorgehen der Tafel nicht rundweg. „Wir sehen, dass die Arbeit vor Ort immer mehr und schwieriger wird“, sagt Jatta. Auch selbst habe man schon Erfahrungen damit gesammelt, dass Menschen sich nicht benehmen könnten – was nach Ansicht des Vereins immer besonders dann passiert, wenn sehr viele Menschen aufeinander treffen. „Es wäre angebrachter, gezielt diejenigen auszuschließen, die Probleme bereiten, anstatt zu pauschalisieren“, sagt Jatta.

Die neue Regelung der Tafel gilt seit Dezember. Sozialdezernent Peter Renzel hat nach eigenen Angaben im Januar über Dritte davon erfahren und das Gespräch mit Sartor gesucht. „Als Stadtverwaltung habe ich aber Entscheidungen von Vorständen autonomer Verbände oder Vereine nicht zu kommentieren oder zu kritisieren“, betont Renzel, der am Freitag die Tafel besucht – ein Termin, der laut dem Dezernenten schon seit zwei Wochen feststeht.

Tafel rückt sich in ein falsches Licht

Philosophie der Tafel sei es nach Renzels Ansicht auch nicht, die arme Bevölkerung zu versorgen, dafür gebe es Sozialleistungen. Vielmehr wolle die Tafel die Verschwendung von Lebensmitteln eindämmen und den Überschuss an die Bevölkerung verteilen.

Integrations-Politiker González Kliefken warnt hingegen davor, dass sich die Tafel mit dem Ausschluss von Ausländern selbst in ein falsches Licht rücke: „Diese Entscheidung mobilisiert radikale Kräfte, die sich damit identifizieren und sie bejubeln. Und das war sicher nicht Absicht der Tafel.“ (mit dpa-Material)

Dieser Text ist zuerst auf www.waz.de erschienen.