Cartagena/Leipzig. Nicht nur der Homo sapiens war in der Lage Kunst anzufertigen und sie zu erkennen. Das beweist eine Studie mit deutscher Beteiligung.

Forscher haben nun eine Antwort auf die Frage gefunden, wann die älteste bekannte Höhlenkunst geschaffen wurde. Die Antwort: nicht nur Menschen wie wir, sondern auch Neandertaler hatten wohl ein ausgeprägtes Gespür für die Malerei.

In drei spanischen Höhlen fand ein internationales Forscherteam bildliche Darstellungen wie den Umriss einer Hand und geometrische Formen, die mindestens 64.000 Jahre alt sind und somit gut 20.000 Jahre vor Ankunft des Homo sapiens in Europa entstanden. Daraus schließt das Team um Dirk Hoffmann vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Fachblatt „Science“, dass der Homo neanderthalensis dem modernen Menschen geistig ebenbürtig gewesen sei.

Bereits vor 500.000 Jahren gab es Kunst

Bislang zählten ähnliche Handdarstellungen aus Indonesien zusammen mit europäischen Höhlenmalereien als weltweit älteste Höhlenkunst: Sie stammen zwar vom Homo sapiens – sind aber lediglich rund 40.000 Jahre alt.

In einer vierten Höhle in Spanien fand Hoffmann mit einem anderen Forscherteam perforierte Muscheln und Farbpigmente, die 115.000 Jahre alt sind. Daraus folgern sie in der Zeitschrift „Science Advances“, die Fähigkeit zu symbolischem Denken sei bereits beim gemeinsamen Vorfahren beider Menschenarten vorhanden gewesen, der vor mindestens 500.000 Jahren lebte.

Bilder zeigen Tiere und Hände

Die Resultate befeuern die jahrzehntelange Debatte darüber, ob Neandertaler – und möglicherweise auch andere Menschenarten – zu symbolischen geistigen Leistungen wie etwa Kunst in der Lage waren. Bisher hatten die meisten Forscher diese Fähigkeit ausschließlich dem Homo sapiens zugestanden.

Das Leiter-Symbol ist das älteste gefundene Objekt.
Das Leiter-Symbol ist das älteste gefundene Objekt. © dpa | Breuil et al

Die Höhlenkunst, darunter Tierbilder, geometrische Zeichen und Umrisse von Händen, fanden die Forscher in den Höhlen La Pasiega im nordspanischen Kantabrien, Maltravieso in der Extremadura sowie im andalusischen Ardales unweit von Málaga. Allerdings wurden nur die Handabdrücke und die geometrischen Linien mit der Uran-Thorium-Methode datiert, die das Alter von Karbonatkrusten auf den Farbpigmenten bestimmt. Die Tierdarstellungen könnten auch später entstanden sein.

Neandertaler waren wohl komplexe Wesen

„Unsere Datierungsergebnisse zeigen, dass die Höhlenkunst an diesen drei Standorten in Spanien viel älter ist als bisher angenommen“, sagt Co-Autor Alistair Pike von der University of Southampton.

Jean-Jacques Hublin, Direktor am Leipziger Max-Planck-Institut, der an der Studie nicht beteiligt war, sagt, es habe in den letzten Jahren viele Hinweise gegeben, dass Neandertaler komplexe Wesen waren. Dennoch warnt er vor Spekulationen, sie seien dem modernen Menschen ebenbürtig gewesen. „Die Neandertaler waren uns in vielerlei Hinsicht nahe, aber sie waren nicht wie wir.“

Der gemeinsame Vorfahr von Homo sapiens und Homo neanderthalensis lebte vermutlich vor mindestens 500.000 Jahren in Afrika. Neandertaler besiedelten Europa, lange bevor der moderne Mensch den Kontinent vor gut 40.000 Jahren erreichte. (dpa)