Berlin. Michelle Williams ist Hollywoodstar und alleinerziehende Mutter. Im Interview spricht sie über die Doppelrolle und ihren neuen Film.

„Alles Geld der Welt“ (Kinostart: 15. Februar) basiert auf der Entführung von John Paul Getty III, die im Jahr 1973 viele Menschen bewegte. Besonderes Aufsehen erregte, dass sein Großvater, der Ölmagnat Jean Paul Getty, zu seiner Zeit der reichste Mann der Welt, die Zahlung des Lösegelds von 17 Millionen US-Dollar ablehnte. Michelle Williams (37) spielt Gail Harris, die Mutter des entführten 16-Jährigen.

Eine Kon­troverse um den Film entstand, als Regisseur Ridley Scott nach den Missbrauchsvorwürfen gegen seinen Jean-Paul-Getty-Darsteller Kevin Spacey eine drastische Entscheidung traf. Er schnitt Spacey aus dem fertigen Film heraus und drehte die Szenen mit Christopher Plummer nach. Im Interview spricht Michelle Williams über den Dreh und ihre Mutterrolle.

Wie haben Sie reagiert, als Ridley Scott fragte, ob Sie für einen Nachdreh zur Verfügung stehen?

Michelle Williams: Ich sagte: „Ich gebe dir mein Honorar und meine Thanksgiving-Ferien.“ Die Gage war eh nicht hoch, also ging’s um die Feiertage.

Co-Star Mark Wahlberg und Sie standen beide sofort parat. Die Anschuldigungen gegen Spacey hätten Sie erstaunt, sagten Sie – standen Sie dennoch hinter der Idee des Neudrehs?

Williams: Sobald diese Idee ausgebrütet wurde, um die betreffenden Szenen nachzudrehen, fühlte ich mich erleichtert. Unsere Entscheidung wird wenig dazu beitragen, das Leid derjenigen zu lindern, die vom Tun Spaceys persönlich betroffen sind. Aber es ist unser kleiner Beitrag, um etwas Falsches zu korrigieren. Und es ist eine Ansage in Richtung aller Täter: Ihr kommt damit nicht mehr weg.

War Ihre uneingeschränkte Kooperation ein Kompliment oder gar eine bedingungslose Verpflichtung in Richtung Ridley Scott?

Williams: Natürlich waren wir alle für und wegen Ridley wieder da. Ich bin sehr stolz auf diesen Film. Das erste, was ich über dieses Projekt wusste, war, dass Ridley ihn inszeniert. Mehr brauchte ich dann nicht zu wissen. Zufällig war aber dann auch noch das Script brillant – daher sagte ich sofort Ja.

Welche Beziehung hatte Gail Harris mit dem Milliardär Getty, als ihr Sohn entführt wurde?

Williams: Damals hatte sie sich von ihrem Ehemann entfremdet, sie waren längst geschieden. Im Grunde hatte sie gar keine Verbindung zur Familie. Sie hat sich sehr aus dem Scheinwerferlicht und dem Materialismus der Gettys zurückgezogen und hatte es geschafft, eine sehr private, unbehelligte Existenz zu führen. Nur die Entführung brachte sie unfreiwillig zurück ins Auge der Öffentlichkeit.

Gelingt es Ihnen, Ihr Privat- und Ihr Berufsleben zusammenzuführen?

Williams: Bei „The Greatest Showman“ hat es zum Beispiel geklappt. Der wurde zehn Minuten von meinem Zuhause entfernt gedreht. Ich wohne in Brooklyn, ich wollte nicht, dass meine Tochter im Gewühl von Manhattan aufwächst. Dann auch noch in Brooklyn zu drehen, war natürlich ein Glücksfall, ich konnte die ganzen Freundinnen von meiner Tochter Matilda mal einladen, sich das Filmset anzuschauen.

Finden Sie es als Alleinerziehende schwierig, Schauspielerei und Familie zu balancieren?

Williams: Es ist nie so, dass man an dem einen Tag die perfekte Balance findet und die dann unverändert bestehen bleibt. Ein Gleichgewicht zu finden, ist die Sache jedes einzelnen Tages und jeder Stunde. Ich frage mich dauernd: „Wie schaffe ich es, allem gerecht zu werden? Und kann ich meiner Tochter alles geben, was sie benötigt? Wie kann ich auch mir Raum schaffen, den mein Beruf beansprucht?“ Es ist ein dauernder Kampf. Aber es ist die Mühe wert. Es gibt berufliche Entscheidungen, bei denen meine Tochter der ausschlaggebende Faktor ist, und andere, bei denen mein eigener Anspruch ganz klar vorne liegt.

Haben Sie eine Ahnung, was Matilda mal beruflich machen könnte?

Williams: Nein, das überlasse ich völlig ihr, damit sie mich eines Tages überraschen kann.