Darmstadt/Berlin. Ein Mann und seine ehemalige Freundin sind wegen Mordes auf der Anklagebank: Eine TV-Doku soll das Paar auf die Idee gebracht haben.

Dass manche Verbrechen eine gewisse Faszination auf Menschen ausüben, ist bekannt. Nur so lässt sich erklären, warum die Geschichte des mordenden Pärchens Bonnie und Clyde im 20. Jahrhundert Einzug in Filme, Theaterstücke und Songs hielt. Aber was passiert, wenn die Faszination für eine solche Geschichte zu weit geht? Wenn sich Menschen nicht mehr gruseln bei der Vorstellung von einem Verbrechen, sondern es gar zum Vorbild nehmen? Darum geht es seit Mittwoch vor dem Landgericht Darmstadt.

Eine 38-jährige Frau und ein 28-jähriger Mann, damals ihr Freund, sollen durch die Dokureihe „Killer-Paare – Tödliches Verlangen“ auf die Idee gekommen sein, Serienmörder zu werden. Bei der Serie geht es laut dem Sender Sixx um die „essenzielle Frage“, warum es Menschen gibt, die Lust am Töten haben. Vor dem Landgericht ist die Frage konkreter: Haben die beiden Angeklagten eine 81-jährige Witwe – die Nachbarin seiner Mutter – ermordet?

Mit elf Messerstichen wurde das Opfer in seiner Wohnung getötet

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus. Der Beschluss, Serienmörder zu werden, sollte das niedrige Selbstwertgefühl der Verdächtigen aufwerten, so heißt es in der Anklage. Geld hätten sie außerdem gewollt. „Ihr soziales Umfeld war nicht mehr bereit, ihnen Geld zu leihen oder schenken“, sagte Staatsanwalt Nico Kalb.

Im März 2017 sollen die beiden im hessischen Dieburg bei der als großzügig bekannten Frau geklingelt haben. Mit elf Messerstichen wurde das Opfer in seiner Wohnung getötet. Die Anklage lautet auf gemeinschaftlichen Mord aus Tötungswillen, Habgier und Heimtücke. Der Mann hätte Geld in der Wohnung gesucht, aber nicht gefunden.

Sie lernten sich in der Psychiatrie kennen

Hinweise auf ein mögliches niedriges Selbstwertgefühl finden sich in der Biografie der beiden: Sie sind arbeitslos und psychisch krank, kennengelernt haben sie sich laut der Staatsan­waltschaft in einer psychiatrischen ­Klinik. Dort sei der 28-Jährige wegen einer schizophrenen Erkrankung behandelt worden, die 38-Jährige ­wegen Depressionen und akuter Alkoholabhängigkeit. Die Klinik mussten sie wegen ihrer Beziehung verlassen, seien danach als Paar zusammengeblieben.

Die Angeklagten hätten am Tag nach der Tat vom Haus der Mutter des Angeklagten der Polizei bei den Ermittlungen zugesehen, bevor sie sich mit dem Auto nach Spanien absetzten. Auf der Flucht vor der Polizei auf unendlichen Straßen unterwegs: Da ist es wieder, das romantische Motiv, das im Zusammenhang mit „Killer-Paaren“ immer auftaucht. Auf der Flucht hätten sie sich wie Bonnie und Clyde gefühlt, berichtete dann auch Gutachter Ernst-Ulrich Vorbach am ersten Prozesstag.

Vor Gericht würdigte sich das frühere Paar keines Blickes

Der Angeklagte, der in der Forensischen Psychiatrie untergebracht ist, hatte mit dem Arzt Vorbach über die Tat gesprochen und sie gestanden. Darauf und auf Indizien stützt sich nun die Anklage. Der Sachverständige sprach von „elementaren Widersprüchen“ in den Aussagen des Beschuldigten. Er habe zunächst gesagt, seine frühere Freundin sei bei der Tat nicht anwesend gewesen. Später habe er behauptet, sie habe auch zugestochen und er wisse nicht, wer von ihnen beiden die Rentnerin letztlich umgebracht habe.

Die beiden Angeklagten wurden schließlich gestoppt, bevor sie zu Serientätern werden konnten. Eine Woche nach dem Mord, der ihnen jetzt vorgeworfen wird, nahm die Polizei sie in Spanien fest. Am Mittwoch äußerten sie sich nicht, die 38-Jährige werde dies aber im Laufe des Verfahrens tun, kündigte ihr Anwalt am Mittwoch an. Vor Gericht würdigte sich das frühere Paar keines Blickes.