Berlin. Maria Dragus hat mit 23 Jahren eine imposante Karriere hinter sich. In ihrem jüngsten Film „Licht“ spielt sie eine blinde Komponistin.

Man könnte direkt Angst haben vor ihr. Jedenfalls, wenn man sie aus ihren Filmen kennt. Maria Dragus wurde bekannt durch „Das weiße Band“ von Michael Haneke, wo sie 2009 ein grausames Kind spielte. Und zuletzt gesehen hat man sie im vergangenen Jahr in „Tiger Girl“, wo sie eine eher stille Person war, die sich zu einer echten Schlägerin wandelte. Und so ähnlich kommt sie einem jetzt auch entgegen. Dick wattiert und mit absichtsvoll zerrissener Hose. Das also ist sie: Maria Dragus, 23 Jahre jung, eine der momentan angesagtesten deutschen Schauspielerinnen.

Interviewer können an ihr verzweifeln, denn die Frau ist ein harter Brocken. Sie sagt laufend diese phrasenhaften Sätze, wie man sie oft in Schauspieler-Gesprächen hört: „Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch, und deshalb liebe ich es, immer neue Sachen kennenzulernen.“ Oder sie sinniert über die „Tiefgründigkeit der Schauspielerei“. Als ob sie unbedingt verhindern wollte, dass die Öffentlichkeit hinter ihre Fassade blickt. Was für ein Mensch ist Maria Dragus?

Paradis ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten

Sie hat ein Treffen zugesagt, in einem Café in ihrem Wohnort Berlin. Ihr Gesicht wirkt hart und kantig. Aber dann entwaffnet sie einen gleich mit einem strahlenden, fast kindlichen Lächeln. Das bildet einen starken Kontrast. Es ist ziemlich klar, was die Regisseure so an ihr reizt. In ihrem jüngsten Film „Licht“, der seit wenigen Tagen in den Kinos läuft, ist sie mal von einer ganz anderen Seite zu sehen. Als blinde Komponistin Maria Theresia Paradis, eine Zeitgenossin von Mozart, die, damals ein Unikum, ihren Lebensunterhalt durch ihre Konzerte selbst bestritt. Eine für ihre Verhältnisse unheimlich autarke, moderne Frau.

Was Maria Dragus auch am meisten an dieser Figur gereizt hat. Neben der Tatsache, dass die Paradis heute dennoch weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Oder, wie Dragus das nennt, „vom Pa­triarchat ausgelöscht wurde“. Für die Rolle musste sie hart arbeiten, denn Dragus konnte weder gut Klavier spielen noch Wienerisch sprechen. Wie sie da sitzt, bei einer Tasse heißer Schokolade, wirkt sie manchmal fast noch wie ein Mädchen. Dragus lacht nicht nur dauernd, sondern kichert geradezu. Aber gleichzeitig ist da etwas schon sehr Erwachsenes, Reifes, unheimlich Abgeklärtes.

Geboren und aufgewachsen in Dresden

Etwa wenn man sie fragt, ob sie sich manchmal zwicken muss, was alles so passiert ist, seit sie mit 15 im „Weißen Band“ gespielt hat – der Film schildert mysteriöse Vorfälle in einem fiktiven Dorf in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, er wurde auf dem Festival von Cannes ausgezeichnet. Was für ein Karrierestart, aber Dragus gibt sich cool. „Ich kenn’s ja nicht anders“, sagt sie lachend.

Die junge Frau ist schwer zu fassen. Maria-Victoria Dragus wird mal als Rumänin, mal als Deutsche bezeichnet. Tatsächlich ist sie beides. Geboren und aufgewachsen ist sie in Dresden, als Tochter eines rumänischen Cellisten und einer rumänischen Tänzerin. Hat aber auch einige Jahre in Rumänien gelebt und besitzt auch einen rumänischen Pass. Heute pendelt sie zwischen Berlin, Bukarest und Paris. Wie ihre Mutter zog es die Tochter zum Tanz. Dann kamen erste Auftritte in Fernsehserien und das „Weiße Band“ mit all dem Preissegen. Da war klar für sie, dass sie Schauspielerin werden würde.

Sie kann richtig kindlich wirken

Wenn man sich ihre für ihr zartes Alter schon recht stattliche Filmografie anschaut, fällt auf, dass da nichts Gefälliges, nichts Mainstreamiges ist. Lauter sehr spezielle, sehr eigene Filme. Wie eben diese blinde Komponistin. Lehnt sie andere Angebote ab – oder bekommt sie nichts anderes angeboten? Wieder so ein Kinderlächeln und so eine erwachsene Antwort: Vielleicht sei es eine Kombination aus beidem. Sie mag sperrige Filme, weil sie eben anders und überraschend sind. Und: „Ich möchte aus der Komfortzone gerissen werden.“

Das klingt alles so, als denke sie pausenlos über das Filmgeschäft nach. Hat sie dennoch einen Plan B, falls das mit der Schauspielerei doch mal stagnieren sollte? „Ach“, sagt sie und setzt wieder ihr bezauberndes Lächeln auf, „ich bin so schlecht mit Plänen.“