Bochum. Mit 19 hat Marcel H. ein Kind und einen Freund umgebracht. Wochenlang wurde der grausame Fall verhandelt. Nun soll ein Urteil fallen.

Im Prozess um den Doppelmord von Herne soll am Mittwochnachmittag das Urteil gesprochen werden. Angeklagt ist der 20-jährige Marcel H. aus Herne. Er hat gestanden, im März 2017 erst einen neunjährigen Nachbarsjungen und anschließend einen 22-jährigen ehemaligen Schulfreund umgebracht zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hat lebenslange Haft gefordert. Außerdem soll das Bochumer Landgericht die besondere Schwere der Schuld feststellen und sich eine spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten.

„Grundlose Ermordung“

Die Staatsanwaltschaft sprach im Plädoyer von „schrecklichen Taten“ und einer „grundlosen Ermordung von zwei völlig unschuldigen, jungen Menschen.“ Marcel H. habe nach den Morden selbst die Öffentlichkeit gesucht und sich durch die Veröffentlichung von Bildern der Leichen in „menschenverachtender Weise“ über die Opfer ausgelassen. Außerdem habe er während seiner dreitägigen Flucht „ganz erheblich für Angst in der Bevölkerung rund um Herne“ gesorgt.

Doppelmord von Herne – eine Chronik

Lebenslange Haft wegen zweier Morde: So lautete das Urteil des Bochumer Landgerichtes gegen den 20 Jahre alten Marcel H. Bei der Verkündung am 31. Januar 2018 stellte das Gericht außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Es behielt sich wegen der Gefährlichkeit des Angeklagten seine spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. H. nahm das Urteil äußerlich unbewegt auf.
Lebenslange Haft wegen zweier Morde: So lautete das Urteil des Bochumer Landgerichtes gegen den 20 Jahre alten Marcel H. Bei der Verkündung am 31. Januar 2018 stellte das Gericht außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Es behielt sich wegen der Gefährlichkeit des Angeklagten seine spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. H. nahm das Urteil äußerlich unbewegt auf. © dpa | Bernd Thissen
Marcel H. (hier mit seinem Anwalt Michael Emde) hatte gestanden, im März 2017 zunächst einen neunjährigen Nachbarsjungen und auf seiner Flucht anschließend auch einen 22-jährigen früheren Schulfreund umgebracht zu haben. Beide Morde seien „völlig anlasslose“ Tötungen gewesen, sagte Richter Stefan Culemann in seiner Urteilsbegründung für die Höchststrafe für die grausame Tat.
Marcel H. (hier mit seinem Anwalt Michael Emde) hatte gestanden, im März 2017 zunächst einen neunjährigen Nachbarsjungen und auf seiner Flucht anschließend auch einen 22-jährigen früheren Schulfreund umgebracht zu haben. Beide Morde seien „völlig anlasslose“ Tötungen gewesen, sagte Richter Stefan Culemann in seiner Urteilsbegründung für die Höchststrafe für die grausame Tat. © dpa | Bernd Thissen
Rückblende: In Keller eines Wohnhauses im nordrhein-westfälischen Herne wird am Abend des 6. März 2017 die Leiche eines neunjährigen Jungen gefunden. Das Kind ist erstochen worden. Der mutmaßliche Täter, der 19-jährige Marcel H., ist tagelang auf der Flucht – bis er sich am Abend des 9. März der Polizei stellt.
Rückblende: In Keller eines Wohnhauses im nordrhein-westfälischen Herne wird am Abend des 6. März 2017 die Leiche eines neunjährigen Jungen gefunden. Das Kind ist erstochen worden. Der mutmaßliche Täter, der 19-jährige Marcel H., ist tagelang auf der Flucht – bis er sich am Abend des 9. März der Polizei stellt. © dpa | Marcel Kusch
Marcel H.s Wohnung wurde von der Polizei versiegelt. H. hattel den Neunjährigen unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt und mit mehreren Messerstichen umgebracht. Im Darknet, einem anonymen Bereich des Internets, brüstete er sich mit der Tat.
Marcel H.s Wohnung wurde von der Polizei versiegelt. H. hattel den Neunjährigen unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt und mit mehreren Messerstichen umgebracht. Im Darknet, einem anonymen Bereich des Internets, brüstete er sich mit der Tat. © imago/Reichwein | imago stock&people
Marcel H. war der Nachbar des Ermordeten.
Marcel H. war der Nachbar des Ermordeten. © Polizei Bochum/dpa | Verpixelung: fmg
Nach Angaben der Ermittler hatte H. nach Tagen auf der Flucht in einem Herner Imbiss darum gebeten, die Polizei zu verständigen. Bei seiner Festnahme wies der 19-Jährige die Polizisten auf einen Wohnungsbrand hin.
Nach Angaben der Ermittler hatte H. nach Tagen auf der Flucht in einem Herner Imbiss darum gebeten, die Polizei zu verständigen. Bei seiner Festnahme wies der 19-Jährige die Polizisten auf einen Wohnungsbrand hin. © dpa | Roland Weihrauch
Die Wohnung, in der es gebrannt hatte, liegt in der Nähe des Imbisses.
Die Wohnung, in der es gebrannt hatte, liegt in der Nähe des Imbisses. © dpa | Roland Weihrauch
Am Brandort fanden die Einsatzkräfte eine männliche Leiche. Es handelte sich um einen 22-jährigen Bekannten von Marcel. H.
Am Brandort fanden die Einsatzkräfte eine männliche Leiche. Es handelte sich um einen 22-jährigen Bekannten von Marcel. H. © dpa | Roland Weihrauch
Trauer vor dem Wohnhaus: Angehörige, Nachbarn und Freunde erinnerten mit Kerzen, Blumen und Stofftieren an den ermordeten Neunjährigen.
Trauer vor dem Wohnhaus: Angehörige, Nachbarn und Freunde erinnerten mit Kerzen, Blumen und Stofftieren an den ermordeten Neunjährigen. © dpa | Ina Fassbender
In dem Haus, in dem der Junge umgebracht wurde, sicherte die Polizei am Tag nach der Tat Spuren.
In dem Haus, in dem der Junge umgebracht wurde, sicherte die Polizei am Tag nach der Tat Spuren. © dpa | Marcel Kusch
Ein Polizist am Rande eines Waldstücks ganz in der Nähe des Tatorts: Mehrere Tage suchte die Polizei nach dem Mörder auf der Flucht. Sie warnte immer wieder, dass Marcel H. gefährlich sein könnte. Er hatte weitere Taten angekündigt.
Ein Polizist am Rande eines Waldstücks ganz in der Nähe des Tatorts: Mehrere Tage suchte die Polizei nach dem Mörder auf der Flucht. Sie warnte immer wieder, dass Marcel H. gefährlich sein könnte. Er hatte weitere Taten angekündigt. © imago/Reichwein | imago stock&people
Bei der Suche setzte die Polizei auch Spürhunde ein.
Bei der Suche setzte die Polizei auch Spürhunde ein. © imago/Reichwein | imago stock&people
Hubschrauber kamen bei der Suche nach Marcel H. ebenfalls zum Einsatz.
Hubschrauber kamen bei der Suche nach Marcel H. ebenfalls zum Einsatz. © imago/Reichwein | imago stock&people
Beamte durchkämmten das Gebiet rund um den Tatort.
Beamte durchkämmten das Gebiet rund um den Tatort. © imago/Reichwein | imago stock&people
Die Ermittler fahndeten nicht nur in Herne nach Marcel H.. In Wetter an der Ruhr durchsuchten Polizisten am Mittwoch, 8. März, bei einem Großeinsatz eine Schule, nachdem ein Hinweis bei der Polizei eingegangen war.
Die Ermittler fahndeten nicht nur in Herne nach Marcel H.. In Wetter an der Ruhr durchsuchten Polizisten am Mittwoch, 8. März, bei einem Großeinsatz eine Schule, nachdem ein Hinweis bei der Polizei eingegangen war. © dpa | Marcel Kusch
Auch in anderen Regionen Deutschlands gingen bei der Polizei zahlreiche Hinweise ein, etwa im Raum Wilnsdorf im Siegerland. Dort kontrollierte die Polizei Fahrzeuge.
Auch in anderen Regionen Deutschlands gingen bei der Polizei zahlreiche Hinweise ein, etwa im Raum Wilnsdorf im Siegerland. Dort kontrollierte die Polizei Fahrzeuge. © imago/Rene Traut | imago stock&people
Zudem gab es am Donnerstag, 9. März, in Mönchengladbach einen Großeinsatz in einem Krankenhaus. Eine Zeugin dachte, sie habe Marcel H. erkannt – ein Fehlalarm, wie sich herausstellte.
Zudem gab es am Donnerstag, 9. März, in Mönchengladbach einen Großeinsatz in einem Krankenhaus. Eine Zeugin dachte, sie habe Marcel H. erkannt – ein Fehlalarm, wie sich herausstellte. © dpa | Theo Titz
Während seiner drei Tage dauernden Flucht hielt sich Marcel H. nach eigenen Angaben zunächst in einem Waldstück auf, dann suchte er seinen Bekannten auf. Nachdem er diesen erstochen hatte, blieb H. noch zwei Tage lang mit der Leiche in der Wohnung.
Während seiner drei Tage dauernden Flucht hielt sich Marcel H. nach eigenen Angaben zunächst in einem Waldstück auf, dann suchte er seinen Bekannten auf. Nachdem er diesen erstochen hatte, blieb H. noch zwei Tage lang mit der Leiche in der Wohnung. © dpa | Theo Titz
Diese Karte von Herne zeigt den Tatort und weitere relevante Orte des Falles.
Diese Karte von Herne zeigt den Tatort und weitere relevante Orte des Falles. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
In einem Trauergottesdienst am 15. März in Herne nahmen Angehörige und Hunderte Bürger Abschied von den beiden Opfern.
In einem Trauergottesdienst am 15. März in Herne nahmen Angehörige und Hunderte Bürger Abschied von den beiden Opfern. © dpa | Marcel Kusch
Zwei Kerzen für die Ermordeten: „Wir sind in unseren Grundfesten erschüttert worden“, sagte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Herne, Reiner Rimkus, in seiner Ansprache. Im Licht dieser Kerzen liege jedoch Gottes Verheißung verborgen, „dass der Tod besiegt ist, dass Elend und Trauer nicht die letzte Macht haben“.
Zwei Kerzen für die Ermordeten: „Wir sind in unseren Grundfesten erschüttert worden“, sagte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Herne, Reiner Rimkus, in seiner Ansprache. Im Licht dieser Kerzen liege jedoch Gottes Verheißung verborgen, „dass der Tod besiegt ist, dass Elend und Trauer nicht die letzte Macht haben“. © dpa | Caroline Seidel
An der Trauerfeier nahmen auch zahlreiche Mitglieder der Rockerszene teil. Sie fuhren mit Motorrädern vor, viele erschienen in Kutte. Der Stiefvater des getöteten Neunjährigen ist nach Angaben des Anwalts der Familie, Reinhard Peters, Mitglied der „Bandidos“ in Essen.
An der Trauerfeier nahmen auch zahlreiche Mitglieder der Rockerszene teil. Sie fuhren mit Motorrädern vor, viele erschienen in Kutte. Der Stiefvater des getöteten Neunjährigen ist nach Angaben des Anwalts der Familie, Reinhard Peters, Mitglied der „Bandidos“ in Essen. © dpa | Ina Fassbender
Eine Schleife an einem Trauerkranz für den ermordeten Jungen von den Chicanos Kiel, einer Rockergruppe.
Eine Schleife an einem Trauerkranz für den ermordeten Jungen von den Chicanos Kiel, einer Rockergruppe. © dpa | Ina Fassbender
Nach der Beisetzung des Neunjährigen ließen Trauergäste Luftballons über den Friedhof im nordrhein-westfälischen Herten steigen.
Nach der Beisetzung des Neunjährigen ließen Trauergäste Luftballons über den Friedhof im nordrhein-westfälischen Herten steigen. © dpa | Ina Fassbender
Obwohl er zur Tatzeit erst 19 war, stufte das Bochumer Landgericht ihn als Erwachsenen ein. Auch eine Gutachterin hatte im Prozess das Erwachsenenstrafrecht empfohlen. Problematisch seien vor allem „psychopathische, narzisstische und sadistische“ Elemente, hatte sie gesagt. Diese könnten im Jugendstrafvollzug kaum mehr korrigiert werden. Die Verteidigung hielt dagegen eine Verurteilung zu lebenslanger Haft nach Erwachsenenstrafrecht für falsch, weil Marcel H. eindeutig Reifeverzögerungen aufweise.
Obwohl er zur Tatzeit erst 19 war, stufte das Bochumer Landgericht ihn als Erwachsenen ein. Auch eine Gutachterin hatte im Prozess das Erwachsenenstrafrecht empfohlen. Problematisch seien vor allem „psychopathische, narzisstische und sadistische“ Elemente, hatte sie gesagt. Diese könnten im Jugendstrafvollzug kaum mehr korrigiert werden. Die Verteidigung hielt dagegen eine Verurteilung zu lebenslanger Haft nach Erwachsenenstrafrecht für falsch, weil Marcel H. eindeutig Reifeverzögerungen aufweise. © dpa | Ina Fassbender
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Nur Vermutungen gibt es zum Motiv. Es kämen Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, Macht- und Größenfantasien sowie „Befriedigung des eigenen Sadismus und Angeberei“ in Betracht, meint der zuständige Staatsanwalt. Marcel H. habe insgesamt 120 Mal auf seine beiden Opfer eingestochen und später sogar versucht, einen Fuß abzutrennen, um ihn im Internet stolz als Trophäe zu präsentieren.

H. hofft auf Jugendstrafrecht

Marcel H. hatte bereits zu Prozessbeginn über seinen Verteidiger gestanden, den Nachbarsjungen und seinen ehemaligen Schulfreund umgebracht zu haben. Im Prozess selbst hat sich H. nicht zu den Vorwürfen geäußert und auch keinerlei Reaktionen gezeigt.

Er hofft auf eine mildere Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht. Auch das wäre möglich, weil er zur Tatzeit noch nicht 21 war. (dpa)