Berlin . Gesine Cukrowski spielt im ZDF-Film „Mama allein zu Haus“ eine Psychologin. Ein Gespräch über das Theater, Film und Gleichberechtigung.

Pünktlich um elf Uhr betritt sie das gemütliche Café in ihrem Schöneberger Kiez. Gesine Cukrowski (48) trägt eine dezente dunkelblaue Wolljacke, ist kaum geschminkt. Sie bestellt Tee. Keiner schielt zu ihr herüber. Cukrowski (48) hat sich verändert, was vor allem an den kurzen Haaren liegt. Doch der kühle Blick und dieses charmant schiefe Lächeln, das ist geblieben. Am Sonntag ist die Schauspielerin – bekannt aus „Der letzte Zeuge“ an der Seite von Ulrich Mühe – als Psychologin in „Mama allein zu Haus“ von Katie Ffjorde (20.15 Uhr) zu sehen.

Sonntag ist der Abend fürs Herz. Rosamunde Pilcher – oder jetzt eben Katie Fforde.

Gesine Cukrowski: Die beiden Formate lassen sich nicht unbedingt vergleichen. Bei Fforde gibt es diese Stoffe für starke Frauen. Das mag ich so an ihr. Solche Stoffe sind für Frauen in meinem Alter rar gesät.

Im Film sind Sie Mutter einer 19-jährigen Tochter. Sie haben selbst auch eine Tochter.

Cukrowski: Ja, sie ist aber erst 16 Jahre alt. Aber die Erfahrung als Mutter hilft mir bei jedem Film.

Szene aus dem Film „Mama allein zu Haus“: Lydia (Gesine Cukrowski, r.) kann sich noch nicht damit anfreunden, dass ihre Tochter Holly (Emilia Bernsdorf, l.) bald ins Studium verschwindet.
Szene aus dem Film „Mama allein zu Haus“: Lydia (Gesine Cukrowski, r.) kann sich noch nicht damit anfreunden, dass ihre Tochter Holly (Emilia Bernsdorf, l.) bald ins Studium verschwindet. © ZDF/Rick Friedman | ZDF/Rick Friedman

Wie meinen Sie das?

Cukrowski: Diese Grenzerfahrung, die man bei der Geburt durchlebt, ist mit nichts vergleichbar. Dazu kommt die Verantwortung für einen Menschen. Diese Tiefe in der Beziehung hat mir den Zugriff auf andere emotionalen Ebenen ermöglicht.

Als Studentin haben Sie in Berlin Off-Theater gemacht. Ein echter Gegensatz zu Katie Fforde.

Cukrowski: Wir waren eine Truppe von Studenten, eine neue Generation und absolut gleichberechtigt. Auch in der Bezahlung. Bei meinem ersten Film fand ich schockiert heraus, dass meine männlichen Kollegen die doppelte Gage erhalten sollten. Ich wäre nach Hause geflogen, hätte der Regisseur, ein Alt-68er, der den Film auch produzierte, die Gage nicht angeglichen. Später habe ich leider feststellen müssen, dass es so nicht durchzuhalten ist. Diese ungleiche Bezahlung ist ein unverhohlener Ausdruck davon, dass die Frau weniger wert ist.

Und sogar Opfer von Belästigung werden. Die #MeToo-Debatte um sexuelle Belästigungen von Frauen im Film hat ja längst auch Deutschland erreicht. Wie stehen Sie dazu?

Cukrowski: Dass Frauen endlich Gehör finden für Ihre Erlebnisse, ist ein großer Schritt. Lange konnte man aufgrund des herrschenden Machtgefüges nur verlieren, wenn man als Opfer darauf aufmerksam machen wollte.

Aber es gibt auch Kritik von Frauen an dieser Bewegung.

Cukrowski: Den Frauen die Glaubwürdigkeit abzusprechen, finde ich äußerst problematisch. Nur wenn wir signalisieren, dass wir jetzt zuhören, mit dem Willen etwas zu verändern, gibt es eine Chance auf eine zukünftige Gleichberechtigung. Um das mal ganz deutlich zu sagen: Sexuelle Belästigung gehört für Frauen und Mädchen zum Alltag. Deshalb habe ich mich nicht getraut zu trampen, und mein Vater hat seine drei Töchter von jeder Party mit dem Auto abgeholt.

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    Sie sind katholisch erzogen worden. Sind aber aus der Kirche ausgetreten.

    Cukrowski: Ja, mit 23 Jahren.

    Was war der Auslöser?

    Cukrowski: Während eines Seminars der Religionswissenschaften las ich eine Abhandlung über die bewusste, inhaltliche Veränderung bei der Übersetzung des neuen Testaments, wie wir es kennen. In der Urfassung war Maria keine Jungfrau. Sehr bewusst wurde also von Männern das Bild der Frauen manifestiert. Hure oder Heilige, das hält sich bis heute und hat mich maßlos wütend gemacht.

    Hat Ihnen nicht etwas gefehlt?

    Cukrowski: Hinwenden kann ich mich auch ohne die Institution Kirche. Und die christlichen Werte teile ich bis heute. Spiritualität finden viele Menschen ja auch in der Natur. Das habe ich ganz intensiv in Neuseeland erlebt, wo die Maori-Kultur noch sehr lebendig ist. Die Maori sind große Naturschützer.

    Und – wie schützen Sie die Natur?

    Cukrowski: Wir versuchen unseren Konsum massiv zu reduzieren. Und Urlaub machen wir auch gerne hier, statt weit wegzufliegen. Es ist übrigens sehr schön hier.