Freiburg. Ein Paar bietet einen Neunjährigen für Sex im Internet an. Der Fall löst Debatten um mögliche Defizite und Verantwortlichkeiten aus.

Nach dem jahrelangen Missbrauch eines Jungen im Raum Freiburg hat das Land Baden-Württemberg eine Untersuchung des Falles angekündigt. Die Rolle von Behörden und Justiz müsse kritisch hinterfragt werden, sagte Landessozialminister Manne Lucha (Grüne) am Montag der dpa.

Es sei nicht gelungen, den heute Neunjährigen zu schützen. Das Kind war nicht dauerhaft aus der Familie genommen worden, obwohl ein vorbestrafter Sexualstraftäter verbotenerweise mit dem Jungen und deren Mutter zusammenwohnte. Die Polizei hatte die Behörden zuvor gewarnt.

Mutter bot Jungen im Internet an

Das Kind wurde den Ermittlungen zufolge von seiner 47 Jahre alten Mutter und deren 37 Jahre alten Lebensgefährten über das Internet Männern aus dem In- und Ausland gegen Geld für Vergewaltigungen überlassen. Es wurde demnach von mehreren Tätern wiederholt und an mehreren Orten in und um Freiburg missbraucht und vergewaltigt.

Das Jugendamt hatte den Jungen nach Hinweisen der Polizei im vergangenen März aus der Familie geholt. Zwei Gerichte hatten diese Entscheidung aber nicht mitgetragen, der Junge kam daraufhin zurück in die Familie, in der es zu den Taten kam.

Wo ist da was schiefgelaufen?

Das Landratsamt in Freiburg (Baden-Württemberg).
Das Landratsamt in Freiburg (Baden-Württemberg). © dpa | Patrick Seeger

Insgesamt sitzen wegen der Vergewaltigungen, die mehr als zwei Jahre gedauert haben sollen, acht Tatverdächtige zwischen 32 und 49 Jahren in Haft. Ihn drohen nun, getrennt voneinander, Gerichtsverfahren.

„Soweit ich die Sachlage bis jetzt kenne, war es ja nicht so, dass die Behörden nicht auf die Missstände in der Familie hingewiesen hätten“, sagte der Minister: „Deshalb müssen wir nun auch mit den Kollegen der anderen Ministerien, also auch dem Justizministerium überprüfen, wo hier etwas schiefgelaufen ist.“ Zudem gehe es darum, dem Neunjährigen nun optimal zu helfen.

Kontaktverbot des Lebensgefährten

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe wies am Montag Kritik an den Urteilen zurück. In der Mutter des Neunjährigen habe man keine Gefahr gesehen, sagte eine Sprecherin. Die Frau sei zuvor nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und habe nicht im Verdacht gestanden.

Zudem habe bereits das Gericht in der ersten Instanz angeordnet, dass der einschlägig vorbestrafte Lebensgefährte keinen Kontakt zu dem Kind haben und sich in der Wohnung nicht aufhalten dürfe. Dies habe die Mutter akzeptiert, auch in der zweiten Instanz.

Daher seien die Richter davon ausgegangen, der Junge sei sicher. Der Lebensgefährte hatte sich den Ermittlungen zufolge aber nicht an die Anordnung gehalten und hatte trotz des Verbotes bei der Familie gelebt.

Gericht liegt erste Anklage vor

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sagte, auf den ersten Blick erscheine ihm das Vorgehen des Jugendamts recht mutig, da es gegen das Familiengericht vorgegangen sei und der Fall weiter bis zum Oberlandesgericht ging. „Das ist ungewöhnlich.“

Ein erster Prozess im Freiburger Fall könnte Justizkreisen zufolge im Frühjahr beginnen. Dem Landgericht Freiburg liege bereits die erste Anklage vor, sagte ein Sprecher.

Familienangehörige wollen nichts mitbekommen haben

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung forderte mit Blick auf den Fall unter anderem Verbesserungen bei den Jugendämtern. „Jugendämter brauchen mehr Personal, müssen besser hineinschauen können in die Familien“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig am Montag im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF. Zudem müssten Familienrichter entlastet und fortgebildet werden.

Auch enge Angehörige des Lebensgefährten der Mutter wollen von dem Martyrium des Jungen nichts mitbekommen haben. Man habe ihm nichts angemerkt, sagten Mutter und Schwester in einem am Sonntagabend ausgestrahlten „Spiegel TV“-Bericht. (dpa)