Madrid/Bilbao. Die spanische Lotterie „El Niño“ hat soziale Gerechtigkeit walten lassen. Unter den Gewinnern waren viele, die das Geld nötig haben.

„El Niño“ – das Kind – hat in Spanien an die „Kleinen“ gedacht. Bei der traditionsreichen Ziehung der Jesuskind-Glückslose gingen die Hauptgewinne in Gesamthöhe von 100 Millionen Euro alle in Arbeiter- und Studentenviertel der Stadt Bilbao im Norden des Landes.

Aber nicht nur im Baskenland, fast überall in Spanien knallten am Samstag die Sektkorken, flossen Freudentränen. Denn nur gut zwei Wochen nach der berühmten Weihnachtslotterie gab es wieder einen landesweiten Geldregen. Bei der 77. Ausgabe der „Lotería del Niño“ wurden insgesamt 700 Millionen ausgeschüttet. Rekord – und immerhin 70 Millionen mehr als im vergangenen Jahr.

„Ich will nie wieder arbeiten“

Weder die Kälte noch der Regen konnten die Freude von Tomás Sarasola dämpfen. Denn „Tomy“, wie der Besitzer der Bar Ziortza von Kunden und Freunden genannt wird, verkaufte in seiner bescheidenen Kneipe 133 der insgesamt 500 Lose mit der Siegerzahl „5685“. Und behielt eines für sich. Jedes dieser Siegerlose ist vor Steuern 200.000 Euro wert.

„Wir Gewinner sind fast alle hart arbeitende Menschen“, sagte Tomy zu Journalisten vor seiner Bar, während viele Gewinner um ihn herum lautstark feierten und vor den TV-Kameras Siegerlose und Sektflaschen hochhielten. Ob er die Rollläden seiner Bar nicht hochziehen wolle, wurde Tomy gefragt. „Nein, denn ich will nie wieder arbeiten“, sagte er halb im Scherz.

Lose mit Hauptgewinn alle in Bilbao verkauft

Bei den beiden großen Lotterie-Ausspielungen spielen die Spanier verrückt. Bis zu 80 Prozent aller Erwachsenen nehmen daran teil, geben zum Teil sehr viel Geld aus. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Bei „El Niño“ seien die Verkaufszahlen allein seit 2015 um 14,5 Prozent gestiegen, sagte die Präsidentin der Lotterie-Gesellschaft SELAE, Inmaculada García.

Wegen der große Nachfrage wird jede der 100.000 Nummern zudem in mehreren „Serien“ aufgelegt. Dieses Jahr waren es erstmals 50 (statt 45) Serien. Ein ganzes Los ist zudem in zehn Zehntellose unterteilt. Daher gab es 500 Lose mit der Hauptgewinnzahl. Sie alle wurden in Bilbao verkauft.

Ein Häuschen und Geld fürs Studium

Während Tomás Sarasola sich die Kehle heiser schrie, erzählten vor seiner Bar im Viertel Arangoiti einige Gewinner den Schaulustigen und Journalisten, was sie mit dem Gewinn machen wollen.

Rentner Juan Guerrero, der vor einem halben Jahrhundert von Andalusien nach Bilbao zog, wurde von der Regionalzeitung „El Correo“ zitiert: „Seit 50 Jahren versuche ich einfach zu überleben. Jetzt werde ich mir endlich ein Häuschen kaufen können, und wenn es auch nur ein kleines ist.“ Susana Moro will mit dem Geld vor allem ihrem Sohn ein Universitätsstudium ermöglichen. „Er will Architektur studieren“, erzählte sie.

Bürgermeister jubelt auf Twitter

Die Freude war in Bilbao derart groß, dass sogar Bürgermeister Juan Mari Aburto jubelte: „Bilbao ist eine glückliche Stadt“ und „die beste Stadt Europas“, rief er in einem Video auf Twitter. Viele würden sich nun Träume erfüllen können. „Zorionak (Glückwunsch) Bilbao!“, rief er auf baskisch. In dieser Stunde wolle er aber auch an die vielen Notleidenden denken, die nichts gewonnen hätten.

Bei der Ziehung der Weihnachtslotterie waren am 22. Dezember bereits Gewinne von sogar knapp 2,4 Milliarden Euro ausgeschüttet worden. Diese vor mehr als 200 Jahren geschaffene Lotterie – „El Gordo“, der Dicke, genannt – gilt als größte und älteste der Welt.

Die Chancen, etwas zu gewinnen, liegen jedoch bei „El Niño“ mit knapp acht Prozent deutlich höher als beim „Dicken“ (fünf Prozent).

Nachträgliche Weihnachtsgeschenke für die Kinder

„El Niño“ wird die Sonderziehung am 6. Januar in Anlehnung an das von den Heiligen Drei Königen besuchte Jesuskind genannt. Schon während, vor allem aber nach der feierlichen Ausspielung in Ávila rund 100 Kilometer westlich von Madrid, bei der wieder kleine Schulkinder vor einem Millionenpublikum im TV die Gewinnzahlen sangen, gingen fast überall in Spanien Hunderte, sogar Tausende nachmittags auf die Straßen, um den Geldregen zu feiern.

Nicht wenige weinten vor Freude. Miguel, der „viele tausend Euro“ bekommt, konnte in Madrid vor „seiner“ Verkaufsstelle die Tränen nur mit Mühe zurückhalten. „Meine drei Kinder hatten Weihnachten kaum Geschenke, das hole ich jetzt nach“, erzählte der 40 Jahre alte Kellner, der bis Juli 2016 viele Jahre arbeitslos war und Schulden abbezahlen muss. (dpa)