Wo Mick Jagger und Co. ihre Super-Nannys rekrutieren
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Von Jochen Wittmann
London. Am englischen Norland College werden die Kindermädchen der Royals und Reichen ausgebildet. Auf dem Stundenplan steht auch Taekwondo.
William und Kate haben eins für die Kinder, und für den Nachwuchs von Rockstar Mick Jagger kam gar nichts anderes in Frage: Ein Kindermädchen vom Norland College musste es sein. Norland-Nannys oder „Norlanders“, wie die Absolventen der ältesten Akademie ihrer Art allgemein heißen, sind die erste Wahl für den Aufzug des Nachwuchses der Royals und der Reichen dieser Welt. Für die einen ein absolutes Muss, für die anderen das ultimative Statussymbol: Norlanders gelten als Super-Nannys, als die besten Kindermädchen der Welt.
Das Norland College bildet seit 125 Jahren die Kinderbetreuerinnen der britischen Oberschicht aus. 1892 gründete die Lehrerin Emily Ward die Institution, inspiriert von den Ideen des deutschen Pädagogen und Kindergarten-Erfinders Friedrich Fröbel.
Mehr als 50.000 Euro kostet die Ausbildung
Ward führte die markanten Norland-Uniformen ein – eine Kombination aus beigem Kleid, Handschuhen und braunem Hut –, um sicherzustellen, dass die Nannys keinesfalls mit gewöhnlichem Gesinde wie Hausmädchen zu verwechseln sind. Sie wollte unterstreichen, dass Norlanders Fachkräfte sind, die eine professionelle Ausbildung abgeschlossen haben.
Und das haben sie sicherlich. Drei Jahre lang dauert das Training in der südenglischen Stadt Bath, das nicht billig ist: 14.747 Pfund im Jahr, umgerechnet rund 16.800 Euro, kostet die Ausbildung, insgesamt also mehr als 50.000 Euro bis zum Abschluss. Für den Preis wird einiges geboten. Der Studiengang umfasst neben den offensichtlichen Disziplinen wie Kochen oder frühkindliche Pädagogik auch ausgefallenere Fächer.
Taekwondo und Rettungsschwimmen
In Taekwondo-Kursen wird Selbstverteidigung unterrichtet, und eine Rennstrecke besuchen die Auszubildenden ebenfalls, um zu lernen, wie man ein schleuderndes Auto unter Kontrolle bringt. Immerhin gehören ihre künftigen Arbeitgeber zu einer sehr sicherheitssensiblen Klasse. Da muss eine Nanny schon wissen, wie man einen Kinderwagen aus der Reichweite von Kidnappern oder von Paparazzi manövriert.
Auch in Erster Hilfe oder im Rettungsschwimmen werden die Studenten unterrichtet, denn wenn bei einem Strandurlaub am Meer etwas schiefgeht, dann ist die erste Pflicht der Ninja-Nanny das Wohlergehen ihrer Schutzbefohlenen. Freilich müssen Norlanders auch weit trivialere Fertigkeiten lernen – Strümpfe stopfen, zum Beispiel, oder wie man am besten eine Kinderparty organisiert.
Die Sprösslinge der Königshäuser
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Immer mehr Männer wollen Nanny werden
Schon seit Langem stehen die Kurse am Norland College nicht nur Frauen offen. In diesem Herbst hat man eine Rekordzahl an männlichen Bewerbern aufgenommen. Unter den 103 neu eingeschrieben Studenten gibt es heuer vier Herren. Gregory Ridley (19) hat sich angemeldet, weil er vom Prestige des Kollegs beeindruckt ist. „Die Möglichkeiten, die einem Norland eröffnet“, sagt er, „gehen weit darüber hinaus, was andere Institutionen in diesem Land, wenn nicht der Welt, einem bieten können.“
Seine Freunde, so Gregory, wären zuerst nicht begeistert gewesen, als sie hörten, dass er Nanny werden würde. „Aber als ich ihnen vom Gehalt erzählte, sagten sie: ,Kann ich auch kommen? Wo unterschreibe ich?‘“ Die finanzielle Belohnung nach der teuren Ausbildung ist tatsächlich verlockend, denn die Nachfrage übersteigt das Angebot. Auf einen Absolventen kommen in der Regel sechs Jobangebote.
Einstiegsgehälter von knapp 30.000 Euro
Wenn ein Norlander nach drei Jahren College plus einem Probejahr in einer Gastfamilie seine Ausbildung abgeschlossen hat, kann er ein Einstiegsgehalt von rund 26.000 Pfund im Jahr, also fast 30.000 Euro erwarten. Das kann sich deutlich erhöhen, wenn die Kindermädchen im Ausland arbeiten. Nannys in Übersee, im Nahen oder Fernen Osten oder auch in den USA haben schon Gehälter von mehr als 90.000 Pfund realisiert.
Für Jordan Murray ist allerdings das Geld gar nicht so wichtig. „Ich will eine Nordland-Nanny werden“, meint der 19-Jährige, „weil ich gerne mit Kindern arbeite. Es fühlt sich oft gar nicht wie ein Job an, weil es so viel Spaß macht.“