Berlin. Eine Initiative will erstmals eine deutsche Astronautin zu der Raumstation ISS fliegen. Das Projekt soll 50 Millionen Euro kosten.

Die junge Frau wirkt euphorisch, ihre Wangen glühen. „Die vielen Überschläge merkt man irgendwann gar nicht mehr“, sagt sie, noch atemlos. „Ich dachte, dass mir alles hochkommt, aber es gibt ja gar kein Oben mehr.“ Und dann: „Ich brauche dieses Gefühl unbedingt wieder. Es macht süchtig.“

Nicola Baumann (32) entsteigt keiner Achterbahn. Die Kölnerin ist Eurofighter-Pilotin. Dienstgrad: Major. Aber sie will noch höher hinaus, richtig hoch, der Himmel soll keine Grenze mehr für sie sein. Baumann ist fest entschlossen, Deutschlands erste Frau auf der Raumstation ISS zu werden.

Gerade hat sie in Star City, dem Trainingszentrum für Kosmonauten bei Moskau, ihre ersten Übungen im Schwerelosigkeitssimulator hinter sich. Baumann wurde zusammen mit der Heidelberger Meteorologin Insa Thiele-Eich (35) nach zahlreichen Tests aus 400 Kandidatinnen von der Initiative „Die Astronautin“ ausgewählt. Die hat es sich zur Mission gemacht, die erste deutsche Frau ins All zu schicken und damit Geschichte zu schreiben.

50 Millionen Euro für das Projekt noch nicht zusammen

59 Frauen weltweit haben es laut Nasa überhaupt jemals in den Weltraum geschafft, das ist eine Quote von mageren zehn Prozent. Claudia Kessler (53) wollte das nicht länger hinnehmen. Die Raumfahrtingenieurin aus Bremen hat die Initiative 2016 gegründet. Sie konnte das Deutsche Zentrum für Raum- und Luftfahrt und einige Sponsoren gewinnen. Doch die 50 Millionen Euro, so der Gesamtumfang des Projekts, sind noch längst nicht zusammen. Steht es also noch in den Sternen, ob die beiden Frauen wirklich fliegen?

Kessler jedenfalls ist keine Träumerin, sondern eine Macherin. Sie spricht im zackigen Tonfall derjenigen, die das Leben in die eigenen Hände nehmen – und es nicht mehr loslassen. Auf die Frage, ob sie gegen Vorbehalte, etwa aus der Männerwelt, zu kämpfen habe, sagt sie: „Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, offene Türen einzurennen.“ Männer seien bei ihrer Mission nicht die Verhinderer, eher stünden sich Frauen selbst im Wege. „Ihnen fehlt es manchmal an Zuversicht. Und an Vorbildern.“

ISS wird als teuerster Arbeitsplatz kritisiert

Besonders das will Kessler mit ihren Astronautinnen ändern. Sie will Mädchen und junge Frauen für technische und naturwissenschaftliche Berufe begeistern. Die Frauenquote entsprechender Studienfächer liegt derzeit bei 25 Prozent, in der Tendenz steigt sie. Für eine wie Kessler jedoch viel zu langsam. „Ein Kunstgeschichtsstudium richtet sich doch auf die Vergangenheit“, sagt sie. „In der Raumfahrt dagegen besteht die Möglichkeit, die Zukunft unsere Erde mitzugestalten und wirklich etwas zu verändern.“

An unterschiedliche Veranlagungen bei den Geschlechtern glaubt sie nicht. „Aber Eltern erkennen und fördern ein mathematisches Talent bei einer Tochter seltener.“ Sie selbst bezeichnet es als Glück, dass sie keinen Bruder hatte. So gab ihr Vater, ein Automechaniker, sein Wissen eben an sie weiter. Aber können Frauen im All wirklich die Welt verbessern? Generell wird die ISS als teuerster Arbeitsplatz, der bisher 100 Milliarden Euro verbrannt hat, oder als Spielplatz für Eliteforscher kritisiert. Wolfgang Hillebrandt ist Wissenschaftler am Max-Planck-Institut und zweifelt am Sinn der Raumstation.

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    Besser Geld in Bildung investieren

    Experimente in der Schwerelosigkeit könnten in einem unbemannten Satelliten viel günstiger und risikoloser ablaufen, sagte er zum WDR. Zu der Initiative „Die Astronautin“ will er sich lieber nicht äußern. „Eine deutsche Astronautin hört sich verlockend an“, findet Christa Stolle, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. „Jedoch werden damit rechtliche Ungleichheiten nicht beseitigt. Wichtig ist es, Geld in Bildung von Mädchen zu investieren, und zwar weltweit.“ Ihr wären Strategien lieber, mit denen möglichst viele Frauen erreicht werden. „Was nützt einer Frau in Saudi-Arabien eine Deutsche im All?“

    Und was, wenn all das Büffeln und Trainieren neben dem Vollzeitjob umsonst war, weil sich der Traum nie erfüllt? „Unsicherheiten gehören einfach zum Alltag eines Raumfahrers“, sagt Kandidatin Thiele-Eich. Ihr Vater war auch Astronaut und wartete 22 Jahre auf seinen ersten Flug. Und Initiatorin Kessler sagt zum Risiko der fehlinvestierten Zeit: „So ist das eben, wenn man große Ziele verfolgt.“