Hagen/Buenos Aires. Erst eine Millionen-Kartellstrafe, jetzt die Verbindung zur U-Boot-Tragödie mit 44 Toten. Ein deutscher Batteriehersteller unter Druck.

Es hat weltweit für Betroffenheit gesorgt, das Schicksal der 44-köpfigen Besatzung des argentinischen U-Boots „ San Juan“. Seit Mitte November wird das Unterseeboot vermisst, der argentinische Verteidigungsminister Oscar Aguad hat die Männer und eine Frau inzwischen für tot erklärt.

Als mögliche Ursache für die Tragödie gilt ein Defekt in der Batterieanlage. Und damit rückt auch Hagen in Nordrhein-Westfalen in den Fokus der Öffentlichkeit: Denn die zum US-Batterie-Giganten EnerSys gehörende Firma Hawker hat ihren Sitz dort. Und sie soll die Batterien für das 1983 in Emden vom Stapel gelaufene U-Boot geliefert haben, als dieses vor wenigen Jahren generalüberholt wurde.

Vorwurf von Schmiergeldzahlungen

Von einer schlampigen Arbeit, von einer mangelnden Dokumentation der Arbeiten und auch von möglichen Schmiergeldzahlungen beteiligter Unternehmen an argentinische Politiker ist nach Recherchen des Bayrischen Rundfunks die Rede.

Geäußert wird der Verdacht unter anderem vom argentinischen Verteidigungsminister und von Cornelia Schmidt-Liermann, Abgeordnete des argentinischen Parlaments mit deutschen Wurzeln: Man wisse nicht, ob alle Batterien bei der Generalüberholung tatsächlich ausgetauscht worden seien und in welchem Land sie tatsächlich hergestellt worden seien.

Generalüberholung des U-Boots als nationales Prestigeprojekt

Beide Politiker gehören der Partei des konservativen Präsidenten Mauricio Macri an, die Vorwürfe beziehen sich aber auf die Zeit, als noch die links-peronistische Präsidentin Christina Kirchner an der Spitze des Landes stand. Sie hatte die Generalüberholung des U-Boots auch als ein nationales Prestigeprojekt verkauft.

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    Ob die massiven Vorwürfe nun auch innenpolitischen Schuldzuweisungen geschuldet sind oder tatsächlich stimmen, lässt sich derzeit schwer beurteilen.

    Hawker-Geschäftsführer schweigt zu Vorwürfen

    Das Hagener Unternehmen schweigt bislang zu den Vorwürfen. Geschäftsführer Magnus Becker, seit 1. April 2014 im Amt, will auf Anfrage der „Westfalenpost“ derzeit keinen Kommentar abgeben. Angesichts der zugespitzten Nachrichtenlage wird aber damit gerechnet, dass der US-Mutterkonzern EnerSys an einer Stellungnahme arbeitet.

    Unabhängig davon werden die aktuellen Schlagzeilen für neuerliche Unruhe in dem Unternehmen mit seinen etwa 370 Mitarbeitern am Standort Hagen sorgen. Erst Ende Juni diesen Jahres hatte eine 23-Millionen-Euro-Strafe des Bundeskartellamtes für große Aufregung gesorgt. Hawker soll mit anderen Mitbewerbern illegale Preisabsprachen getroffen haben. Es ging um den so genannten Metallteuerungszuschlag.

    Millionenschwere Kartellamtsstrafe nur teilweise anerkannt

    Den dürfen die Hersteller von bleihaltigen Batterien zwar verwenden, um das Risiko von Rohstoffpreischwankungen auf die Kunden abzuwälzen. Illegal sind allerdings die offensichtlich erfolgten Absprachen von mindestens drei Anbietern, diesen Abschlag einheitlich anzuwenden.

    Eines der Unternehmen, das sich selbst angezeigt hatte, blieb straffrei, die Firma Hoppecke aus Brilon, die laut Kartellamt voll umfänglich kooperiert habe, musste 4,96 Millionen Euro Strafe bezahlen. Viel weniger als die knapp 23 Millionen, die die Hagener Firma Hawker zahlen soll. Die hat laut Kartellamt aber auch nicht voll kooperiert.

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      Geschäftsführer Magnus Becker, an dessen erstem Arbeitstag im Amt im April 2014 die Hausdurchsuchungen in der Firmenzentrale stattfanden, hatte im Juni im Interview mit der „Westfalenpost“ erklärt, dass man nur 12,6 Millionen Euro der Strafe anerkenne, die weiteren 10 Millionen Euro aber nicht akzeptiere. Der Rechtsstreit darüber, ob auch diese Summe rechtmäßig ist, läuft nach WP-Informationen weiter. Der Standort Hagen sei aber auch wegen der Unterstützung des US-Mutterkonzerns EnerSys nicht gefährdet, so Becker damals.

      Produktion der U-Boot-Batterien nach Bulgarien verlegt

      Ob Hawker durch die U-Boot-Tragödie in Argentinien erneut in die Bredouille kommt, wird sich nun zeigen. Eine offizielle Bestätigung, ob in dem U-Boot tatsächlich Batteriezellen von Hawker eingebaut wurden, gibt es noch nicht. Klar ist aber schon jetzt: Hergestellt worden wären sie dann nicht in Hagen.

      Denn schon im Jahr 2007 hatte Hawker die Produktion von dem Standort in das Werk nach Bulgarien verlegt. In Hagen werden die Batterien zwar auch heute weiterhin entwickelt, produziert werden hier dagegen vorwiegend nur noch Batterien für Gabelstapler.

      Lange Tradition der Batterieherstellung in Hagen

      Dabei hat Hagen tatsächlich eine lange Tradition als Hersteller von Batterien für U-Boote. Das Unternehmen AFA (später Varta), das zuvor am heutigen Sitz von Hawker beheimatet war, war im Ersten und Zweiten Weltkrieg der Hauptproduzent im Deutschen Reich.