Berlin. Kaum Plätze und ausgewählte Speisen: Ein Londoner Journalist erfand ein Restaurant und mogelte sich auf Platz eins bei Tripadvisor.

Einen Tisch im „The Shed“ zu ergattern, dem beim Bewertungsportal Tripadvisor zeitweise top-bewerteten Restaurant Londons, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht weil „The Shed“ schon weit im Voraus ausgebucht wäre, sondern aus einem ganz banalen Grund: Das Restaurant existiert nicht.

Trotzdem führte es Anfang November die Rangliste der beliebtesten Restaurants in London auf dem Bewertungsportal Tripadvisor an. Hinter dem Fake steht der Journalist Oobah Butler.

Erst Fake-Kritiken, dann das Fake-Restaurant

Wie Butler auf die schräge Idee kam? Früher habe er selbst erfundene positive Rezensionen zu Restaurants auf Tripadvisor geschrieben – und dafür bei den Lokalen abkassiert. „Restaurantinhaber zahlten mir zehn Pfund, und ich schrieb ihnen eine gute Kritik, ohne jemals dort gegessen zu haben“, schreibt er bei Vice.com. Da fragte Butler sich, ob in „Zeiten der allgegenwärtigen Fehlinformation“ sogar ein komplett erfundenes Lokal möglich sei.

„Um mich auf dem übersättigten Londoner Gastromarkt hervorzutun, brauche ich ein Konzept, das bescheuert genug ist, um deinen Vater zu empören“, schreibt Butler. „Ein Konzept wie alle Gerichte nach Stimmungen benennen, etwa „Nachdenklichkeit“, „Trost“ oder „Empathie“.

„Empathie“ mit Sellerie und Karotten

„Empathie“ schmeckt dann zum Beispiel so: „Vegane Muscheln in klarer Brühe mit Pastinaken, Karotten, Sellerie und Kartoffeln. Serviert mit Roggenchips.“ Die Website des Restaurants ist nach wie vor aufrufbar.

Die Fotos entstanden auf einem alten Holztisch vor seiner Gartenlaube. Mit Rasierschaum und anderen Hilfsmitteln „kreierte“ Butler Speisen, die zumindest auf den Bildern nach einem Sterne-Restaurant aussehen.

„Exklusives Flair“ lockte Kunden

Anfang Mai stieg das „The Shed“ dann bei Tripadvisor ein, zunächst ganz hinten, auf Platz 18.149. Butler bat Freunde und Kollegen darum Fake-Reviews zu schreiben und das Restaurant positiv zu bewerten. Mit der Zeit meldeten sich immer mehr Menschen, die eine Reservierung haben wollen.

„Mir wird klar, woran es liegen muss: Tische nur nach Vereinbarung, keine Adresse – das insgesamt äußerst exklusive Flair hat den Menschen den Verstand geraubt“, schreibt Butler. Wenn Anrufe kamen sagte er stets: „Sorry, wir sind ausgebucht.“

Ab 2. November führte das „The Shed“ schließlich die Rangliste bei Tripadvisor an, wie eine Abfrage in dem Online-Archiv Archive.org zeigt. Nach dem Hype um das erfundene Restaurant entschloss sich Butler dazu, das Lokal für einen Abend Wirklichkeit werden zu lassen. Mit Freunden räumte er die alte Gartenlaube auf und ließ das erste Mal Gäste zu. Zwischen sie setzte er Schauspieler, die das Essen lobten. Er servierte: Fertiggerichte. (les)