Essen. „Liebesrausch“ ist der neue Fall für Natalia Wörners Kommissarin Winter. Die Folgen stechen unter den deutschen Krimi-Formaten heraus.

Die Beerdigung des Schwiegervaters im Rücken, den toten Kollegen direkt vor den Füßen: Es ist ja nicht unüblich, dass Leichen den Weg von Kriminalisten pflastern, aber der kleine Streifenbeamte, den ein Fahrerflüchtiger im Porsche umgemäht hat, bringt Jana Winter an sehr spezielle Grenzen.

Die kühle Polizistin von der Schlei wird sie nicht nur geografisch überwinden müssen: Der todbringende Angeberwagen stammte aus Kopenhagen, und durch eine schnelle Info zum Halter und seinem Leben führt in diesem Fall der kleine Dienstweg über ein eigentlich kühl gewordenes Bett. „Liebesrausch“ bringt Winters alte Liebe Malte (gespielt vom smarten Krimi-Schweden Magnus Krepper, „Die Brücke – Transit in den Tod“) ins Spiel. Das ist für eine Ermittlerin, deren Kunst nicht zuletzt eine recht kontrollierte Spielart psychologischen Einfühlungsvermögens ist, durchaus lästig. Der erste Wiedersehenskuss geht noch ins Leere. Dieser noch ...

Dimension einer antiken Tragödie

Die Erfolgsreihe um Natalia Wörners Tätersuche „Unter anderen Umständen“ legt am Montag einen starken Fall mit leichten Schwächen in der Ausführung vor. Die Story, die einsetzt wie die erwartbare Katastrophe einer banalen Trunkenheitsfahrt, gewinnt in André Georgis Buch allerdings die packende Dimension einer antiken Tragödie. Nach und nach legt Jana Winter jene Schichten frei, die zwei Freundesfamilien – reiche dänische Reeder die einen, eher glücklose deutsche Studienkumpel die anderen – erscheinen lassen wie eine von den Göttern in boshafter Ironie angelegte Versuchsanordnung über die Schwäche namens Mensch.

Für „Liebesrausch“ wählt die Schweizer Regisseurin Judith Kennel ein Erzähltempo ohne Druck. Doch gerade dieser ruhige Fluss, den die unterkühlte Bildwelt von Moritz Antons Kamera spürbar speist, macht die Qualität des Films aus. Die Beiläufigkeit schärft das monströse Ausufern jener Flirt-Spritztour, die den reichen Taugenichts Karsten Rogge (Andreas Pietschmann) zum Mordopfer werden lässt. Und wenn der Blick auf jenen rotierenden Riesen ruht, die dem jüngsten Paar dieser kriminellen Versippung flüchtigen Schutz bieten, führt uns die Erzählung den gottverlassenen Windpark als Nachfolger Grimmscher Märchenwälder vor Augen.

Natalia Wörner ist wie immer verlässlich gut

Die Bank des TV-Formats aber bleibt Natalia Wörner. Der Charakter, den sie von Beginn an (2006 startete die Reihe) zeichnete, zeigt nicht die geringste Abnutzungserscheinung. Wörners authentische Präsenz, der das natürlich Unverblümte selbst in Extremsituationen nicht abhanden kommt, ist ein Ausnahmeprofil unter so vielen gesichtslosen deutschen Krimi-Formaten. Umso unschöner fällt das Chargenspiel auf, das ihr Team prägt.

Die Großkotzigkeit, mit der Ralph Herforth Winters Kollegen Hamm darstellt, ist nur noch Karikatur. Nicht besser geht es Winters Chef Arne Brauner. Traurig, wie TV-Liebling Martin Brambach sich seine vielen Rollen mit so wenigen und so peinlich berechenbaren Mitteln sichert. Der Mann betreibt seine eigene Abnutzung. Das Zucken und Glucksen, die platte Bürokratenkomik: Sie schaden – und zwar unter allen Umständen.

Fazit: Wendungssatter Plot mit Mimen-Makel.

Montag, 4. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr