Bangkok. Am Vulkan Agung leben die Menschen auf Bali zwischen Furcht und Faszination. Ein dort ansässiger Deutscher rechnet mit dem Schlimmsten.

An Schlaf denkt der 58-jährige Herrmann Sattler in diesen Tagen zuletzt. „Ich stehe alle zwei Stunden auf, um mir Mount Agung anzuschauen und im Internet das neueste zu erfahren“, sagt der Marketingmanager des Holiway Garden Resort in dem kleinen Dörfchen Sambirenteng.

Auch am Dienstag wurde jeder Gedanke an ein Mittagsschläfchen von dem Vulkan vertrieben. Mount Agung rumpelte plötzlich. „Es klang wie ein gewaltiges, andauerndes Magengrummeln“, erzählt der aus dem Saarland stammende Mann, dessen Schwester Maria das kleine Hotel betreibt auf Bali.

„Ein gewaltiges Naturschauspiel“

Das Dorf Sambirenteng auf Bali liegt nur gut 20 Kilometer von dem 3000 Meter hohen Berg entfernt. Das ist weit jenseits der Evakuierungszone von gegenwärtig zehn Kilometern. Wegen eines drohenden Ausbruchs des Vulkans, der seit Tagen riesige Aschewolken in den Himmel speit, hatten die Behörden bereits am Montag rund 100.000 Anwohner aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Anwohner von zwei Dutzend Dörfern rund um den Vulkan im Osten der Insel wurden aufgefordert, ihre Unterkünfte zu verlassen.

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    Doch Herrmann Sattler zieht es jeden Tag in die Nähe des Vulkans. Regelmäßig nimmt er sich die Zeit, um so nahe an den Vulkan zu kommen wie möglich. „Das ist ein so gewaltiges Naturschauspiel“, sagt in einem fast nach Schwärmerei klingenden Ton, „das darf man sich nicht entgehen lassen.“

    Viele Anwohner gehen auf Distanz zum Berg

    Der Meinung sind offenbar auch die 40 Gäste, die gegenwärtig in dem Hotel wohnen. Eine zufällig anwesende Gruppe Schamanen aus aller Herren Länder kommuniziert jeden Tag mit den Geistern. Doch Sattler hegt Zweifel, dass die Beschwörungen viel helfen. „Ich bin überzeugt, dass Mount Agung ausbrechen wird“, sagt er.

    25.000 kleine Erdbeben bis zur Stärke von 5,8 verzeichneten die Geologen, seit der Vulkan im September erstmals die Bewohner erschreckte und die Behörden zu einem Evakuierungsbefehl provozierte. Viele Bewohner außerhalb des Zehn-Kilometer-Sperrgebiets ziehen es vor, sich auf Distanz zum grummelnden Vulkan zu bringen. Die Familie des Nachbarhauses vom Holiway Garden Resort etwa nahm 45 Personen auf, die sich vor einem Ausbruch in Sicherheit bringen wollen – samt ihren 20 Kühen.

    Seismologen mussten ihr Lager räumen

    „Die Bauern, die vorwiegend Cashewnüsse anbauen, gehen jeden Tag zur Feldarbeit. Wenn Mount Agung ohne Vorwarnung ausbrechen sollte, könnte es deshalb trotz Evakuierung viele Opfer geben“, sagte Sattler dieser Zeitung. Beim letzten Ausbruch des Mount Agung kamen 1600 Menschen ums Leben. Doch damals war die für balinesische Verhältnisse arme Region noch weitaus dünner besiedelt.

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    Schüler auf der indonesischen Ferieninsel Bali auf ihrem Weg zur Schule auf einem Lastwagen. Im Hintergrund spuckt der Vulkan Mount Agung Rauch und Asche. Auf Bali wird ein gewaltiger Ausbruch des Feuerbergs befürchtet.
    Schüler auf der indonesischen Ferieninsel Bali auf ihrem Weg zur Schule auf einem Lastwagen. Im Hintergrund spuckt der Vulkan Mount Agung Rauch und Asche. Auf Bali wird ein gewaltiger Ausbruch des Feuerbergs befürchtet. © dpa | Firdia Lisnawati
    Nach einer Reihe von kleineren Eruptionen gilt seit Montag rund um den mehr als 3000 Meter hohen Berg Alarmstufe Rot.
    Nach einer Reihe von kleineren Eruptionen gilt seit Montag rund um den mehr als 3000 Meter hohen Berg Alarmstufe Rot. © Andri Tambunan
    Die indonesischen Behörden forderten 100.000 Menschen auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Anwohner von zwei Dutzend Dörfern rund um den Mount Agung wurden aufgefordert, ihre Unterkünfte zu verlassen.
    Die indonesischen Behörden forderten 100.000 Menschen auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Anwohner von zwei Dutzend Dörfern rund um den Mount Agung wurden aufgefordert, ihre Unterkünfte zu verlassen. © REUTERS | NYIMAS LAULA
    Sporthallen dienen als Unterkünfte für evakuierte Dorfbewohner.
    Sporthallen dienen als Unterkünfte für evakuierte Dorfbewohner. © REUTERS | DARREN WHITESIDE
    Der Mount Agung liegt im Osten der beliebten Urlaubsinsel.
    Der Mount Agung liegt im Osten der beliebten Urlaubsinsel. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
    Das Gebiet wurde im Umkreis von zehn Kilometern zur Sperrzone erklärt.
    Das Gebiet wurde im Umkreis von zehn Kilometern zur Sperrzone erklärt. © REUTERS | JOHANNES CHRISTO
    Menschen werden aus der Gefahrenzone gebracht, im Vordergrund warnt ein Schild vor dem Ausbruch des Vulkans.
    Menschen werden aus der Gefahrenzone gebracht, im Vordergrund warnt ein Schild vor dem Ausbruch des Vulkans. © dpa | Josh Edelson
    Gekühlte Lava am Rande des Mount Agung.
    Gekühlte Lava am Rande des Mount Agung. © REUTERS | SOCIAL MEDIA
    Nach zweieinhalb Tagen Flugverbot wegen eines drohenden Vulkanausbruchs hat der internationale Flughafen der Ferieninsel Bali wieder geöffnet. Der Betrieb wurde am Mittwoch um 15.00 Uhr Ortszeit (08.00 Uhr MEZ) wieder aufgenommen.
    Nach zweieinhalb Tagen Flugverbot wegen eines drohenden Vulkanausbruchs hat der internationale Flughafen der Ferieninsel Bali wieder geöffnet. Der Betrieb wurde am Mittwoch um 15.00 Uhr Ortszeit (08.00 Uhr MEZ) wieder aufgenommen. © dpa | James Hall
    Mehrere Tausend Urlauber konnten die Insel nicht mehr verlassen. Aktuell halten sich auch mehr als 5000 deutsche Touristen auf Bali auf. Wegen des drohenden Ausbruchs gilt rund um den mehr als 3000 Meter hohen Vulkan aber immer noch die höchste Alarmstufe.
    Mehrere Tausend Urlauber konnten die Insel nicht mehr verlassen. Aktuell halten sich auch mehr als 5000 deutsche Touristen auf Bali auf. Wegen des drohenden Ausbruchs gilt rund um den mehr als 3000 Meter hohen Vulkan aber immer noch die höchste Alarmstufe. © dpa | Ketut Nataan
    Schon Mitte September hatten alle Anzeichen auf einen unmittelbar bevorstehenden Ausbruch hingedeutet. Mehr als 130.000 Menschen flohen damals aus ihren Dörfern im näheren Umkreis des Vulkans.
    Schon Mitte September hatten alle Anzeichen auf einen unmittelbar bevorstehenden Ausbruch hingedeutet. Mehr als 130.000 Menschen flohen damals aus ihren Dörfern im näheren Umkreis des Vulkans. © Getty Images | Andri Tambunan
    Knapp 25.000 Menschen leben bis heute in Notunterkünften. Der Vulkan war zuletzt in den Jahren 1963 und 1964 ausgebrochen. Damals kamen etwa 1200 Menschen ums Leben.
    Knapp 25.000 Menschen leben bis heute in Notunterkünften. Der Vulkan war zuletzt in den Jahren 1963 und 1964 ausgebrochen. Damals kamen etwa 1200 Menschen ums Leben. © REUTERS | ANTARA FOTO
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    Bislang hat das Dorf bei einigen Regenschauern nur wenig der Asche abbekommen, die der Mount Agung ausspuckt. Bislang reiste kaum jemand ab. „Die Leute hier sind alle noch ziemlich gelassen“, so Sattler, der seit fünf Jahren in Sambirenteng lebt. Am Dienstag mussten auch Seismologen und andere Experten die unmittelbare Umgebung des Mount Agung räumen.

    Run auf regionale Flughäfen

    Im Süden Balis, wo die meisten Touristen untergekommen sind, flaut die Hysterie vom Montag dagegen nur langsam ab. Denn der Flughafen in Denpasar, der am Montag 450 Flüge stornierte, blieb auch am Dienstag geschlossen. Die Asche, die Mount Agung während der vergangenen Tage in Höhen bis zu zwölf Kilometer pustete, stellen immer noch eine Gefahr für Flugzeuge dar.

    Viele Reisende versuchen deshalb, zu den zehn Regionalflughäfen zu gelangen, die Indonesiens Regierung für internationale Flüge öffnete. An der Fähre dorthin bildeten sich lange Schlangen von Bussen und Autos. Gleichzeitig versuchen viele Indonesier, per Fähre nach Bali zu gelangen, um dort ihren Verwandten zu helfen.

    Lawinen aus glühender Asche

    Während in der Abenddämmerung weithin sichtbar die Aschewolken des Vulkans von der glühenden Lava im Krater rot beleuchtet werden, schießen immer mehr sogenannte Lahare die Abhänge hinab. Diese Schlammlawinen aus glühender Vulkanasche vergraben wie flüssiger Beton alles, was ihnen in die Quere kommt.

    Sorgen machen den Geologen zudem zwei große „Beulen“ an den Hängen des Vulkans. Im Süden nahe dem Renteng-Gebiet und an der Nordflanke bei Kubu dehnt sich der Vulkan unter dem gewaltigen Druck im Innern aus. „Wenn der Berg explodiert“, sagt Sattler in Sambirenteng, „kriegen wir das hier voll ab.“

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