Bonn. 10 Euro pro Stunde fürs Spieletesten: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sucht Gamer. Ein Kinderspiel ist das nicht.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat ein kleines Problem: Ihr Spieler hört auf. Bislang gab es einen Studenten, der für die Bonner Behörde Computer-, Video- und Konsolenspielen getestet hat.

Weil der aber bald keine Zeit mehr hat, will die Vorsitzende Martina Hannak-Meinke nun gleich einen Pool von Spielern und Spielerinnen im Raum Bonn aufbauen. Rund 10 Euro netto gibt es pro Stunde. Wer davon schon angefixt ist, sollte trotzdem weiter lesen, was die oberste Spieleprüferin Hannak-Meinke unserer Redaktion dazu noch erklärt hat.

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Wofür gibt es das Geld?

Die Behörde schließt Werkverträge pro Spiel. Ein Gamer oder eine Gamerin muss dann das Spiel spielen unter dem Blickwinkel jugendgefährdender Inhalte. Aufgabe ist es dann, vor dem Gremium der Prüfstelle das Spiel und seine möglichen Knackpunkte zu präsentieren und Nachfragen dazu zu beantworten. So eine Präsentation dauert bis zu 90 Minuten, sagt Hannak-Meinke.

„Es geht darum, für das Gremium die Pro- und Kontra-Argumente für die Frage einer Jugendgefährdung herauszuarbeiten.“ Dazu muss der Gamer oder die Gamerin eventuell auch bestimmte Szenen vor dem Gremium noch einmal spielen. „Das Spielen macht mit Sicherheit den wesentlich größeren Anteil aus, aber man verdient das Geld nicht spielend.“

Aber man testet immer die neuesten Spiele vorab?

Irrtum. Dazu müsste man Spieler bei der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) sein. Die ist nämlich für die Altersfreigabe zuständig, die Spiele erhalten, bevor sie in den Handel kommen. Bei der BPjM geht es um Spiele, denen die USK nicht einmal das rote USK18-Siegel geben will. Solche Spiele dürfen Erwachsene zwar kaufen und spielen, ein Game darf dann aber nicht zum Beispiel im Elektronikfachmarkt offen im Regal stehen.

Die Bundesprüfstelle hat zu entscheiden, ob ein Spiel tatsächlich indiziert wird. Manche Spiele werden der USK aber erst gar nicht vorgelegt. Bei solchen Spielen, die bereits auf dem Markt sind, gibt es Indizierungsverfahren, wenn Jugendämter oder -ministerien einen Antrag stellen. Die Bundesprüfstelle wird aber nie von sich aus tätig.

Es sind also schlimme Spiele?

Würde Hannak-Meinke so nicht sagen, „unser Ziel ist auch nicht, Gamern irgendeinen Spaß zu verderben“. Wenn Behörden eine Indizierung beantragen oder die USK das U18-Siegel nicht gibt, sind die Spiele aber in der Regel tatsächlich jugendgefährdend, werden dann beherrscht von realistisch und reißerisch dargestellten Szenen, von Gewalt als Selbstzweck.

Die Bundesprüfstelle gibt den Anträgen auf Indizierung mehrheitlich statt, erläutert Hannak-Meinke. „Das sind meist eindeutige Fälle.“ Bei Anregungen, die jede Behörde machen kann, sieht das schon anders aus – da stecken eben oft keine Fachleute dahinter. Und ältere Spiele werden oft auch wieder von der Liste genommen.

Es müssen auch alte Spiele getestet werden?

In diesem Jahr mussten bisher 16 Spiele geprüft werden – und acht davon waren schon etliche Jahre alt. Nach 25 Jahren rutschen Spiele zwar automatisch vom Index. Rechteinhaber können aber schon vorher eine Listenstreichung beantragen. Und haben damit oft Erfolg, sagt Hannak-Meinke: „Normen und Werte unterliegen auch gesellschaftlichem Wandel.“

Zudem habe sich die Medienkompetenz Jugendlicher weiterentwickelt, auch Rechtsprechung ändere sich – und die Technik schreite voran. Veraltete Grafik könne dazu führen, dass sie distanzierend wirke. Auch der Kunstgehalt mancher Spiele werde Jahre später höher bewertet. Alle acht Anträge auf Streichung von der Liste waren erfolgreich.

Und das entscheidet der Spieletester?

Definitiv nicht. Die Entscheidungen werden getroffen in zwei Gremien. In großer Besetzung kommt es monatlich zusammen, eine kleinere Runde noch häufiger. Die Entscheidungen sind Verwaltungsakte, die juristisch überprüfbar sein müssen. Wichtig ist aber, dass der Gamer auch die entlastenden Momente vorführt: „Wenn jemand 20 Stunden spielt und die jugendgefährdenden Inhalte machen dabei zehn Minuten aus, dann steht das in keinem Verhältnis für eine Indizierung.“ Jugendschutz stehe auch immer im Widerstreit mit Kunstfreiheit.

Muss man denn ein guter Gamer sein?

Weil die Spiele durchgespielt werden müssen: ja. Noch wichtiger ist aber, neutral Spiele betrachten zu können, „da müssen wir viel Vertrauen in den Spieler setzen können“.

Stehen schon Spiele fest?

„Wir haben keine Spiele in der Warteschleife“, sagt Hannak-Meinke. Zudem ist ein Übergang vereinbart mit dem Tester, der mehrere Jahre der einzige Zocker war, aber künftig kaum noch Zeit hat. Er war wiederum von seinem Vorgänger empfohlen worden.

Wieso jetzt die Ausschreibung?

Hannak-Meinke will auch Schwellen zur Gamer-Community abbauen – und ist etwa auch auf der Gamescom angesprochen worden von Interessierten. Deshalb die öffentliche Suche. Mit einem Pool von Spielern will die Bundesprüfstelle aber auch flexibler sein, schneller reagieren können. Die Ausschreibung könnte aber auch Gamer mit ganz falschen Vorstellungen auf den Plan rufen. „Ich bin gespannt, was da kommt“.

Die Ausschreibung der Bundesprüfstelle steht auf deren Internetseite.