Essen. Jahrelang soll ein Bottroper Apotheker lebenswichtige Krebsmedikamente gepanscht haben. Der Mann will sich im Prozess nicht äußern.

Im Prozess um angeblich gestreckte Krebsmedikamente will sich der angeklagte Apotheker aus Bottrop selbst nicht zu den Vorwürfen äußern. Seine Verteidiger griffen am Dienstag die Staatsanwaltschaft scharf an und bezeichneten die Ermittlungsergebnisse als „unbrauchbar“.

Der Vorwurf, dass Medikamente systematisch unterdosiert seien, könne nicht stimmen. Studien zeigten, dass von dem Bottroper Apotheker belieferte Ärzte bei ihren Patienten „eine deutlich höhere mittlere Überlebensrate“ erzielt hätten, argumentierten die Verteidiger.

Die Anklage wirft dem 47-Jährigen vor, massenhaft Krebsmedikamente gepanscht zu haben. Mindestens 1000 Krebskranke sollen betroffen sein, allein den gesetzlichen Krankenkassen soll ein Schaden von 56 Millionen Euro entstanden sein.

Verständnis für die Sorge der Patienten

Konkret werfen sie den Ermittlern vor, die Einkaufsquoten des Angeklagten nicht genau genug ermittelt zu haben. So sei zum Beispiel der Bestand an Medikamenten nicht berücksichtigt worden. Auch die sichergestellten Proben, in denen laut Anklage wenig oder keine Wirkstoffe nachgewiesen wurden, hätten keine Aussagekraft, da die Analyseverfahren noch nicht ausgereift seien.

Demo nach Apothekerskandal

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    „Wir haben Verständnis für die Sorgen und Ängste der Patienten“, sagte Verteidiger Peter Strüwe in dem Prozess vor dem Essener Landgericht. Man müsse sich jedoch von der reflexartigen Bewertung freimachen, dass alles, was bis jetzt bekannt ist, schon stimmen werde.

    Anklage: Apotheker handelte aus ökonomischem Interesse

    Zwischen 2012 und 2016 soll der Apotheker fast 62.000 Mal Krebsmedikamente mit zu wenig Wirkstoff versehen haben. Es sei ihm darum gegangen, „sich eine erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen“, argumentiert die Staatsanwaltschaft. In der Anklageschrift sind 35 Wirkstoffe aufgeführt, von denen der Apotheker höchstens 70 Prozent der eigentlich benötigten Menge eingekauft haben soll. Die Anklage lautet auf Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, Betrug und versuchte Körperverletzung. Dem 47-Jährigen drohen bis zu zehn Jahre Haft sowie ein Berufsverbot.

    Betroffen sind den Ermittlungen zufolge Patienten von 37 Ärzten, Praxen und Kliniken in sechs Bundesländern, die meisten in Nordrhein-Westfalen. Lieferungen gingen aber auch an jeweils eine Klinik oder Praxis in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen. (dpa)