Essen. Mit Produktionen wie „Der große Bellheim“ lockte der Regisseur Millionen vor den Fernseher. Am Sonntag wird Dieter Wedel 75 Jahre alt.

Eigentlich interessiert ihn das Alter nicht. 75 Jahre alt wird er am Sonntag. Was ist das schon? Wenn es 77 wäre, das wäre noch eine lustige Zahl. Film-Regisseur Dieter Wedel, hauptsächlich in Hamburg zu Hause, hat sich anlässlich des zu erwartenden Rummels zu seinem südlichen Wohnsitz nach Mallorca aufgemacht.

„Heute Nacht hat es geregnet, aber jetzt scheint wieder die Sonne, ich genieße das milde Klima“, sagt er am Telefon. Man sieht ihn geradezu vor sich, wie er die Sonnenbrille, die genauso zu ihm gehört wie seine Lockenfrisur und der stahlblaue Blick, zurechtrückt.

Er könnte auf den Geburtstag und das Gerede darum gut verzichten, aber alle Welt frage ihn ja, wie er sich fühlt. Er fühle sich noch jung, habe keine Krankheiten, Gott sei Dank, sagt er. Dennoch nage so eine Zahl an ihm. „Mit 75 nähert man sich doch schon den Überstunden des Lebens. Das Eis wird eben dünner.“ Sätze, die auch zig andere 75-Jährige sagen. Doch irgendwie schafft Wedel es, selbst Small Talk so aufzuwerten, dass es sich fast ein wenig philosophisch anhört.

Tobsuchtsanfall bei Dreharbeiten

Er ist ein großer Erzähler, am Telefon – und natürlich im Film. Wenn er über den „Großen Bellheim“ spricht, dann wirkt es so, als hätte er ihn eben erst abgedreht. Dabei ist es über zwanzig Jahre her. Vielen Zuschauern, die einst begeistert vor dem Fernseher saßen, wird vor allem der große Mario Adorf vor Augen sein, der Retter einer Welt der untergehenden Warenhäuser. Immer wieder zeigte der Regisseur – ob beim „Großen Bellheim“ (1992), beim „Schattenmann“ (1996) oder beim „König von St. Pauli“ (1997) sein Herz für diese Alphamänner wie Adorf oder Heinz Hoenig, die bei Schnaps und Zigarre die Puppen tanzen ließen.

Dass dieser Mann, der neben Helmut Dietl („Rossini“, „Kir Royal“) als Großmeister des deutschen Fernsehens gilt, am Set so manchen Tobsuchtsanfall hingelegt hat – man glaubt es gern. Als sein Hauptdarsteller Mario Adorf zum Beispiel beim „Bellheim“-Dreh mit einer Frisur erschien, die eine Aushilfsmaskenbildnerin zu verantworten hatte und die aussah wie ein Ziegelstein, sei Wedel ausgerastet. Er ließ seinen Maskenbildner holen. Dass dieser mit 40 Grad Fieber im Bett lag, war Wedel doch egal.

Filme mit gesellschaftskritischem Blick

Dieter Wedel.
Dieter Wedel. © dpa | Uwe Zucchi

Aufbrausend, das war er auch, wenn es um die Qualität des Fernsehens ging. Er, Wedel, war das Gütesiegel des deutschen Fernsehens, der Rest aus seiner Sicht: „Programmbrei“. Er schimpfte über den Zwang zur Quote, über die Verflachung der Fernsehkultur. Wedel, der mit 26 Jahren beim NDR seine erste Regiearbeit übernahm und von Anfang an Filme mit gesellschaftskritischem Blick drehte, nannte später das Fernsehen nur noch eine „dröge Zeit-Totschlag-Maschinerie“.

Seine große Fernsehzeit ist vorbei. Den promovierten Theaterwissenschaftler zog es längst wieder an die Bühne: Zehn Jahre war er Intendant bei den Nibelungenfestspielen in Worms, seit 2014 leitet er die Bad Hersfelder Festspiele, engagierte Stars wie David Bennent und sorgt mit seinem prallen Theater unter freiem Himmel für volle Häuser. „Ich lese immer, ich sei ein Workaholic. Das stimmt aber nicht. Wenn es Spaß macht, ist es ja keine Arbeit.“

Wedel hat sechs Kinder von sechs Frauen

Auf Mallorca bereitet er schon die nächste Hersfelder Spielzeit vor. Auch an einem Film arbeitet er – über Mallorca, der erste Teil von „Pirateninsel“ sei schon fertig, erzählt er. Im Telefon knarrt es, man hört im Hintergrund eine Frauenstimme. Es ist Uschi Wolters, seit 47 Jahren seine Partnerin. Längst nicht die einzige: Wedel hat sechs Kinder von sechs Frauen und führte 15 Jahre lang eine Doppelbeziehung mit Uschi Wolters und der Tänzerin Dominque Voland, mit der er auch noch einen Sohn bekommen hat. Wedel machte nie ein Geheimnis aus der Dreiecksbeziehung.

Und wenn er darüber sprach, klang das, was für viele moralisch fragwürdig ist, wie das Normalste der Welt. „In meinem Fall hat das wunderbar funktioniert. Es ging aber auch nur so gut, weil die Frauen sehr tolerant sind und immer sehr offen miteinander umgegangen sind.“

Bedrohungen wie Herzinfarkt, Krebs oder Gedächtnisverlust

Nicht immer ist alles so glatt gelaufen. Mit Schauspielerin Hannelore Elsner kam es zu einem Eklat. Wedel hatte sie verlassen, als sie schwanger war. Als sie dann noch in Wedels Autobiografie auftauchte, hat sie ihn verklagt. Von einer „Melange aus Unwahrheiten und Indiskretionen“ war die Rede.

Wedel, der Womanizer. Dabei fremdelt er mit diesem Wort, das so oft fällt, wenn von ihm die Rede ist. „Nun – ich weiß nicht, ob der Begriff auf mich je zugetroffen hat. Das sollen die Frauen meines Lebens entscheiden.“ Fast wirkt er melancholisch. Ob er Angst vor dem Alter habe? „Ich denke ja nicht täglich darüber nach. Die dunklen Bedrohungen wie Herzinfarkt, Krebs oder Gedächtnisverlust haben mich noch nicht ereilt.“ Außerdem halte er sich fit und das mit eiserner Disziplin. „Ich turne jeden Tag eine halbe Stunde, ernähre mich gesund. Ich spiele auch noch Tennis, wenn auch nicht auf dem Niveau von einst.“

Das leichte Lebensgefühl auf Mallorca

Und er hat nie geraucht: „Mein Vater war Kettenraucher, er rauchte hundert Zigaretten am Tag. Er hat sich zu Tode geraucht. Ich war dabei, als mein Vater tot umgefallen ist, da war ich gerade 14 Jahre alt, und habe mir geschworen, nie mit dem Rauchen anzufangen.“ Wedel ist ein Mann, der das leichte Lebensgefühl liebt, wie es Mallorca bietet. Es habe ihn gelassener gemacht. „Früher hätte ich beispielsweise sofort wie verrückt gehupt, wenn vor mir ein Auto anhält, nur weil der Fahrer mit einem anderen Fahrer gemächlich plaudert.“

Wedel wirkt nicht wie ein Mann, der vor etwas Angst hat. Wobei das nicht stimmt. „Ich hatte Angst davor, irgendwann nicht mehr arbeiten zu dürfen. Als es vor Jahren darum ging, Menschen immer früher in Rente zu schicken, habe ich mir gedacht: Aber dann ist der größte Teil des Lebens ja das Alter.“ Die trüben Gedanken hat er mit Arbeit verscheucht: Er schrieb und drehte den „Großen Bellheim“. „Mein Beruf ist mein Hobby. Schreiben und Regieführen, das liebe ich.“