New York. Naomi Campbell, Lupita Nyong'o und viele umwerfend schöne Models: Der Pirelli-Kalender 2018 ist eine Hommage an schwarze Menschen.

Bis in die Fingerspitzen streckt sie die Pose. Verwunschen wirkend blickt Duckie Thot den Betrachter an, ihr Abbild von einer Fischauge-Linse verzerrt. „Es ist der Eingang“, sagt Fotograf Tim Walker über sein Lieblingsbild im Kalender 2018 des Reifenherstellers Pirelli, der als einer der wichtigsten Gradmesser anspruchsvoller Fotografie gilt. Mit dem Thema „Alice im Wunderland“, dargestellt von ausschließlich schwarzen Protagonisten, hat Walker sich Großes vorgenommen.

Seine 28 Aufnahmen sind im wörtlichen Sinne fantastisch. Es ist eine Traumwelt, eine unwirkliche Szenerie, die Walker in einem nur dreitägigen Shooting in London zum Leben erweckt hat. „Als Fotograf konnte ich Alice nicht noch einmal erzählen, wie ich sie schon eine Million Mal gesehen habe“, sagt Walker.

Messlatte der Fotografie

Warum, so habe er sich gedacht, kann Alice nicht auch schwarz sein? Nun beginnt die Erzählung mit Thot, jenem südsudanisch-australischen, gerade einmal 22 Jahre alten Model, das Walker als „unfassbar anmutig“ beschreibt.

1964 hatte der italienische Reifenhersteller Pirelli erstmals einen Kalender herausgebracht und ihn an Freunde des Unternehmens verschenkt. Damals stand noch die erotische Aktfotografie im Vordergrund. Über die Jahre wandelte sich der Kalender zum gesellschaftlichen Gradmesser und zur Messlatte der Fotografie.

Naomi Campbell, Lupita Nyong'o, Whoopi Goldberg

Jedes Jahr wurden Star-Fotografen und Topmodels engagiert. „Wenn man an den Pirelli-Kalender denkt, bin ich nicht das Gesicht, das einem in den Sinn kommt, das weiß ich“, sagt Schauspielerin Whoopi Goldberg in einem Kurzfilm zum Kalender. „Aber ich weiß auch, dass viele Menschen wollen, dass jemand wie ich dort auftaucht – und hier bin ich.“

30 Jahre hat Pirelli seit der letzten „all black“-Ausgabe gebraucht, auch dazwischen waren Schwarze aber regelmäßig in den Kalendern zu sehen. Neben Nachwuchs-Stars wie Duckie Thot und Adut Akech sind nun das Supermodel Naomi Campbell, die Schauspielerinnen Lupita Nyong'o und Whoopi Goldberg sowie Rapper Sean „Diddy“ Combs vertreten.

„Wir konzentrieren uns zu sehr auf weiße Models“

„Es spricht Bände darüber, wo wir morgen sein wollen“, sagt der aus Benin stammende Schauspieler Djimon Hounsou („Guardians of the Galaxy Vol 2“), der in die Rolle des Herzkönigs geschlüpft ist, über die politische Botschaft.

Die Models des Pirelli-Kalenders 2018

In New York ist der Pirelli-Kalender 2018 vorgestellt worden. Auf dem roten Teppich trafen sich Models der „All Black“-Ausgabe wieder. Gestaltet hat den „Alice im Wunderland“-Kalender der Fotograf Tim Walker, hier mit den Models (v.l.) Jaha Dukureh, Duckie Thot und Thando Hopa.
In New York ist der Pirelli-Kalender 2018 vorgestellt worden. Auf dem roten Teppich trafen sich Models der „All Black“-Ausgabe wieder. Gestaltet hat den „Alice im Wunderland“-Kalender der Fotograf Tim Walker, hier mit den Models (v.l.) Jaha Dukureh, Duckie Thot und Thando Hopa. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Er habe die Geschichte von Alice „von Anfang an neu erzählen“ wollen, so Fotograf Walker – mit einer „neuen und originellen Betrachtungsweise“. Und sie ist die Hauptdarstellerin: Die 22-jährige Duckie Thot.
Er habe die Geschichte von Alice „von Anfang an neu erzählen“ wollen, so Fotograf Walker – mit einer „neuen und originellen Betrachtungsweise“. Und sie ist die Hauptdarstellerin: Die 22-jährige Duckie Thot. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Das südsudanisch-australische Model ist Alice.
Das südsudanisch-australische Model ist Alice. © dpa | .
Es ist die erste „All Black“-Ausgabe des Pirelli-Kalenders seit 30 Jahren.
Es ist die erste „All Black“-Ausgabe des Pirelli-Kalenders seit 30 Jahren. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Supdermodel Naomi Campbell posiert im Kalender als „Royal Beheader“ – die königliche Henkerin.
Supdermodel Naomi Campbell posiert im Kalender als „Royal Beheader“ – die königliche Henkerin. © Getty Images | Slaven Vlasic
Die Südafrikanerin Thando Hopa ist die Herzprinzessin.
Die Südafrikanerin Thando Hopa ist die Herzprinzessin. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
US-Schauspieler RuPaul ist die Herzkönigin.
US-Schauspieler RuPaul ist die Herzkönigin. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Die 25-jährige Britin Adwoa Aboah alias Tweedledee.
Die 25-jährige Britin Adwoa Aboah alias Tweedledee. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Die 17-Jährige Adut Akech alias die Diamantenkönigin.
Die 17-Jährige Adut Akech alias die Diamantenkönigin. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Die 21-jährige US-Amerikanerin Slick Woods gibt den verrückten Hutmacher.
Die 21-jährige US-Amerikanerin Slick Woods gibt den verrückten Hutmacher. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Der beninisch-amerikanische Schauspieler Djimon Hounsou (53) ist der Herzkönig.
Der beninisch-amerikanische Schauspieler Djimon Hounsou (53) ist der Herzkönig. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Der US-Musiker Lil Yachty ist die Wache der Königin.
Der US-Musiker Lil Yachty ist die Wache der Königin. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Wilson Oryema (alias Herzsieben), Alpha Dia (alias Herzfünf) und King Owusu (alias Tweedledum).
Wilson Oryema (alias Herzsieben), Alpha Dia (alias Herzfünf) und King Owusu (alias Tweedledum). © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Die Gala zog auch prominente Gäste wie die französische Schauspielerin Isabelle Huppert an.
Die Gala zog auch prominente Gäste wie die französische Schauspielerin Isabelle Huppert an. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
Marco Tronchetti Provera ist seit 1992 der Chef von Pirelli.
Marco Tronchetti Provera ist seit 1992 der Chef von Pirelli. © Getty Images | Dimitrios Kambouris
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Auch Galionsfigur Campbell und Fotograf Walker meinen, dass Schwarze in Mode und Fotografie noch zu wenig Raum bekommen. „Wir konzentrieren uns in der Modeindustrie zu sehr auf weiße Models“, sagt Walker. Vor allem in Werbekampagnen für Beauty-Produkte gebe es häufig lediglich Quoten-Mädchen anderer Hautfarbe, „weil es das geben muss“, sagt Campbell.

Ganz neuer Dreh mit schwarzen Charakteren

Walker sieht die Branche aber an einem Wendepunkt. Er, der bereits für Namen von Tilda Swinton bis Kate Moss gebucht wurde, will mit dem Kalender zumindest einen „sehr kleinen Satz in einer sehr langen Unterhaltung“ beigetragen haben.

Der Satz mag klein sein – aber er sitzt. Die „Alice“-Erzählung des Autors Lewis Carroll, bekannt vor allem als Disney-Verfilmung, bekommt durch die schwarzen Charaktere einen ganz neuen Dreh. Schauspieler Hounsou geht es auch darum, Vorbild zu sein. Klar geworden sei ihm das, als sein Sohn eines Tages sagte: „Es wäre toll, die Wände hoch zu klettern wie Spiderman, wenn ich weiß wäre.“

„Ich würde es hassen, fotografiert zu werden“

Für Walker, dem „Alice“ als Kind vorgelesen wurde, schließt sich ein Kreis. In jungen Jahren assistierte er Richard Avedon, als dieser für Pirelli am Set stand – nun steht Walkers eigener Name in goldener Blockschrift auf dem Karton. Aus dem Ärmel geschüttelt hat er die großformatige Sammlung nicht gerade: „Ich kann nicht sagen, wie sehr einen das schlaucht“, sagt Walker über das Shooting.

Fotos stellen bloß, sie sind persönlich. Am Set sollen sich die Models so wohl fühlen wie möglich, wie Walker sagt. Er sehe ein, wenn sich jemand nicht sofort locker machen kann: „Ich würde es hassen, fotografiert zu werden.“ (dpa)