Berlin/Gelsenkirchen. Arabische Clan-Mitglieder bei der Polizei? Ein krasser Beleg dafür schien im Netz gefunden. Doch der vermeintliche Polizist ist keiner.

Ein arabischstämmiger Polizist aus Gelsenkirchen, der Ferrari fährt und einen Unterwelt-König und Oberhaupt eines Clans den „besten Onkel der Welt“ nennt? Diese vermeintliche Enthüllung schlägt Wellen im Netz.

Ein Gelsenkirchener Mitglied der großen El-Zein-Familie steht plötzlich im Blickpunkt, weil er den Eindruck erweckt, Polizist zu sein – und weil es aussieht, als ob er öffentlich seinen berüchtigten Onkel lobt. Die Aufregung ist groß, aber der Fall liegt anders. Er zeigt auch, wie schnell banale Poser-Fotos Öl in ein loderndes Feuer gießen können.

Die Bloggerin Ronai Chaker, in Deutschland geborene Jesidin und Islamkritikerin, hatte den Wirbel am Dienstag losgetreten und der Polizei auf Twitter „Feuer unterm Hintern“ angekündigt: Der vermeintliche Skandal schien wie eine Bestätigung für in Berlin breit diskutierte Befürchtungen: Arabische Clans machen sich in der Polizei breit.

In den vergangenen Tagen haben entsprechende Vorwürfe in der Hauptstadt auf Grundlage anonymer Briefe sogar eine Sondersitzung des Senats ausgelöst, wo Polizeipräsident Klaus Kandt das als „definitiv falsch“ zurückwies. Unter den 1200 Polizeianwärtern in Berlin für den mittleren Dienst haben 45 Prozent einen Migrationshintergrund, so die Polizei. Kandt erklärte, es seien aber keinerlei Angehörige von arabischen Großfamilien in der Polizeiausbildung.

Polizeigewerkschaft sah Hinweise für Unterwanderung

Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sprach dagegen im ZDF von „deutlichen Hinweisen“ auf eine solche Unterwanderung. In einem Interview mit t-online.de ruderte er am Freitag etwas zurück: Auch er hatte sich demnach auf die anonymen Schreiben gestützt. Die Polizei sei dem nachgegangen „Es hat sehr wohl drei Bewerber aus diesem Bereich gegeben – die aber alle nicht zum Zuge kamen.“ Zuvor hatte er gesagt, Clans versuchten, „bestimmte Familienangehörige von Straftaten frei zu halten“, um sie dann im öffentlichen Dienst unterbringen zu können. Es dürfe aber auch niemand wegen seines Namens von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden.

Beim nordrhein-westfälischen LKA führte der vermeintliche Fall aus der Familie El-Zein nach Informationen unserer Redaktion zu Sonderschichten, unter hohem Druck wurde der Frage nachgegangen. Ministeriumssprecher Gerrit Weber kann nun sagen: „Nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei der in den Profilen abgebildeten und mit Namen benannten Person nicht um einen nordrhein-westfälischen Polizeibeamten.“

Das LKA überprüfte dazu auch diverse mögliche Schreibweisen des Namens. Auch die Bundespolizei teilt mit, dass die „von Ihnen benannte Person (...) nicht dem Personalbestand der Bundespolizei zugeordnet werden kann“.

Bloggerin fand Fotos alarmierend

Bloggerin Chaker hatte die Fotos eines Mannes gefunden, von dem diverse Profile mit seinem Namen den Eindruck vermitteln, er sei bei der Polizei. Der vermeintliche Polizist ist zugleich in einem Profil auf Instagram mit Mahmoud El-Zein zu sehen, der sich selbst vor Jahren bei „Spiegel TV“ König der Berliner Unterwelt nannte, heute aber in NRW lebt.

„Bester Onkel“, steht als Kommentar dabei. Das Foto wurde Wochen später noch einmal mit dem Kommentar „Lache wenn deine Familie lacht. Weine wenn deine Familie weint. Kämpfe wenn deine Familie kämpft. Sterbe wenn deine Familie stirbt. EL-ZEIN.“ gepostet.

Unsere Redaktion hat Chaker am Freitag informiert, dass der Mann kein Polizist ist. Sie sagt: „Ich fand das sehr alarmierend und wollte Druck aufbauen, damit dem nachgegangen wird.“ Bei einem anderen Hinweis von ihr in der Vergangenheit habe sie den Eindruck gehabt, die Polizei nehme den Fall nicht ernst.

Instagram-Profil nicht echt?

Ihr Posting griffen aber rechtspopulistische Medien schnell auf. Etwa der Kopp-Verlag verbreitete mit großer Selbstverständlichkeit die Nachricht „NRW-Polizist mit Berlins Clanchef #1“ und verlinkte zu einem Text der rechtspopulistischen „PI-News“. Andere Seiten aus dem Spektrum berichteten ähnlich.

Der Kraftsportler und Polizisten-Imitator aus der El-Zein-Familie reagierte nicht auf Anfragen unserer Redaktion. Auf Facebook postete er aber einen inzwischen nicht mehr öffentlich sichtbaren Hinweis, der Instagram-Post mit dem Foto seines Onkels sei nicht seines, irgendjemand klaue seine Bilder und kopiere sie. Dafür spricht, dass in seinem YouTube-Account ein anderes Instagram-Profil mit viel mehr Followern verlinkt ist.

In dem Fall wäre auch die Huldigung für den Onkel gar nicht von ihm selbst abgeschickt worden, sondern von jemandem, der Zugriff auf private Fotos hat. Dort tauchte auch ein Selfie mit Kind auf dem Arm und bekotztem Polizei-Shirt auf. Ein Bild von der angeblichen Einsatzausrüstung zeigte das bayerische Wappen auf einer Mütze.

Echter Polizist wunderte sich über Arm-in-Arm-Bild

Das LKA ist auch manchen dieser Fotos nachgegangen. So wurde auch ein Hauptkommissar zu einem Bild befragt, das ihn Arm in Arm mit dem Möchtegern-Polizisten zeigte, auf dessen Markenfahrrad auch noch ein Polizeiaufkleber prangt. Der Beamte konnte sich erinnern, und sagte, er habe sich gewundert. Sonst würden sich eigentlich nur Kinder mit ihm knipsen lassen.

Handhabe gegen den „Polizei“-Look gibt es nach Darstellung des NRW-Innenministeriums nicht. Wer nur ein T-Shirt mit dem Aufdruck trägt ohne etwa ein Landeswappen, verstoße gegen kein Gesetz. Jeder darf sich ein wenig Polizeilook geben. Manchmal löst das dann aber eben einen Riesenwirbel aus...