Langeoog. Vor der ostfriesischen Küste sitzt ein 225-Meter-Frachter fest. Experten versuchen, das Schiff zu bergen. Es droht eine Ölkatastrophe.

Nur ein paar Hundert Meter vom Strand entfernt kämpfen 22 Menschen gegen den Untergang ihres Schiffes. Es sind dramatische Szenen, die sich seit Sonntagabend vor der Küste Ostfrieslands abspielen: Der 225 Meter lange Frachter „Glory Amsterdam“ wurde vom Sturm durch die Nordsee getrieben wie ein Plastikboot in der Badewanne, bis er vor der Insel Langeoog auf Grund auflief. Seitdem bangt die Besatzung um ihr Schiff – und die Menschen auf Langeoog hoffen inständig, dass die Crew eine Ölkatastrophe verhindern kann.

Alle Rettungsversuche sind bislang gescheitert. Am Montagabend wollte das hinzugerufene Havariekommando, ein Spezialistenteam für Schiffsunfälle, die Glory Amsterdam bergen. Doch diesen Plan musste es aufgeben. „Die Wassertiefe ist selbst bei Hochwasser einfach zu gering“, sagte Simone Starke vom Havariekommando. Im Hubschrauber waren zuvor Technikspezialisten und ein Versorgungsteam auf der Glory Amsterdam gelandet.

Besatzung harrt aber weiter auf dem Schiff aus

Sie sollen zusammen mit der Besatzung die Bergung vorbereiten. Außerdem behandelten die Spezialisten Crewmitglieder wegen der Seekrankheit. Verletzt ist aber niemand, sagte Starke. „Unsere Leute haben geschaut, ob wir jemanden vom Schiff runterholen müssen.“ Die Besatzung harrt aber weiter auf dem Havaristen aus.

Im Lagezentrum in Cuxhaven planten Schiffsbauingenieure und Nautiker derweil die Bergung. Erst wenn das Wasser hoch genug steigt, haben sie eine Chance, den Frachter wieder ins offene Meer zu schleppen. Die Bergung des Frachters kann allerdings noch bis zu drei Tage dauern. Das sagte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel am Montagabend. Für den nächsten Schleppversuch müsse weiteres Einsatzmaterial angefordert werden, heißt es.

Die Odyssee der Glory Amsterdam hatte begonnen, als Sturm „Herwart“ und bis zu sieben Meter hohe Wellen den unbeladenen Schüttgutfrachter am Sonntag von seinem Ankerplatz in der Deutschen Bucht vor Helgoland losrissen. Vorher hatte das Schiff den Hamburger Hafen verlassen – offenbar, um Hafengebühren zu sparen. Manövrierunfähig trieb das Schiff auf die Küste zu. Mehrfach hatte der zu Hilfe geeilte Hochseeschlepper „Nordic“ bei Orkanböen versucht, den Frachter abzufangen.

Mehrere Rettungsversuche während des Sturms scheiterten

Die Helfer begaben sich in ernste Gefahr, als sie, umtost vom Sturm, mit schweren Leinen hantierten. Immer wieder kam eine Verbindung zustande, doch jedes Mal riss die Schleppleine. Schließlich fuhr die 15 Jahre alte und für einen Eigner aus Singapur fahrende Glory Amsterdam auf eine Sandbank auf.

Das Havariekommando arbeitet unter enormem Druck an einem Plan. Das Schiff ist der Strömung ausgesetzt. Die Kräfte der Natur können sogar einen solchen Pott auseinanderbrechen lassen.

Das Gebiet vor Ostfriesland ist ein Schiffsfriedhof

Die Glory Amsterdam wäre nicht das erste Schiff, das vor der Küste Ostfrieslands im Meer versinkt. Die Deutsche Bucht ist ein berüchtigter Schiffsfriedhof – auf dem Grund der Nordsee vermuten Experten Tausende Wracks.

Am Montagabend war völlig ungewiss, wie es weitergeht mit der Glory Amsterdam. Je länger sie auf der Sandbank liegt, desto ernster wird die Situation. Sollte sie aufbrechen, droht den ostfriesischen Inseln und den Vogelrastgebieten im Watt eine Katastrophe: Der Frachter hat als Treibstoff gut 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinediesel geladen.