Herzberg. Weil eine „Reichsbürgerin“ den Schornsteinfeger nicht reinließ, kam die Polizei. Ein Beamter wurde verletzt. Nun folgte die Strafe.

Nach einem Säureangriff auf einen Polizisten hat das Amtsgericht Herzberg die Tochter einer sogenannten Reichsbürgerin aus dem Südharz zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Die 30-Jährige sei der gefährlichen Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig, sagte die Vorsitzende Richterin Annett Cron in der Urteilsbegründung am Dienstag. Die mitangeklagte Mutter wurde freigesprochen. Die ebenfalls auf Körperverletzung und Widerstand lautenden Vorwürfe gegen die 68-Jährige hätten sich nicht beweisen lassen. Denkbar sei jedoch, dass die Mutter die Tochter angestiftet hat. „Das konnte aber nicht geklärt werden“, sagte die Richterin.

Verteidiger hatte auf Notwehr plädiert

Das Schöffengericht folgte weitgehend dem Antrag der Staatsanwältin, die 22 Monate Bewährungsstrafe für die Tochter und Freispruch für die Mutter gefordert hatte. Der Verteidiger der Tochter erklärte, die 30-Jährige habe in Notwehr gehandelt. Er plädierte deshalb ebenso wie der Anwalt der Mutter auf Freispruch.

Nach Überzeugung der Richter hat die 30-Jährige im Juni 2015 im Südharzer Ort Barbis einen Polizisten gezielt mit säurehaltigem Sanitärreiniger angegriffen und dadurch erheblich an den Augen verletzt. Das Gericht sah darin eine gefährliche Körperverletzung „durch das Beibringen von Gift“. Zudem sei der Angriff hinterlistig erfolgt, weil der Beamte nicht damit gerechnet habe.

Mutter leidet unter Persönlichkeitsstörung

Anschließend leistete die 30-Jährige massiv Widerstand und verletzte den Beamten weiter durch Bisse und Tritte. „Das war keine Notwehr“, sagte Richterin Cron. Bei der Attacke waren auch ein zweiter Polizist und ein Landkreismitarbeiter leicht verletzt worden. Der Bezirksschornsteinfeger hatte die Beamten zu Hilfe gerufen, weil die Mutter sich wiederholt geweigert hatte, ihre Heizung inspizieren zu lassen.

Die 68-Jährige, die nach Angaben eines Gutachters unter einer „paranoiden Persönlichkeitsstörung“ und „wahnhaften Vorstellungen“ leidet, gehört nach Darstellung von Polizei und Justiz zu den sogenannten Reichsbürgern. Die Bewegung, die deutschlandweit vom Verfassungsschutz beobachtet wird, lehnt die Bundesrepublik, deren Organe und Behörden ab und akzeptiert keine amtlichen Bescheide.

„Wir gehören zum Königreich Preußen“

Mutter und Tochter zeigten wie schon zum Prozessauftakt, dass sie das Gericht nicht anerkennen. Sie blieben während der Verhandlung stundenlang neben der Eingangstür stehen. Das Gericht sei nicht zuständig, denn: „Wir gehören zum Königreich Preußen“, sagte die ältere Frau und kündigte Strafanzeige gegen die Richterin an.

Die Tochter wurde nach Darstellung des psychiatrischen Sachverständigen jahrelang von ihrer Mutter beeinflusst und teile deshalb auch manche Einstellung der Reichsbürger. Sie selbst rechne sich der Bewegung aber nicht zu.

30-jährige bedauert Tat nicht

Das Gericht hielt der 30-Jährigen vor, sie habe den verletzten Polizisten während dessen Zeugenaussage durch fortwährendes Gelächter verhöhnt. In ihrem „letzten Wort“ äußerte die Frau kein Wort des Bedauerns, sondern sagte lediglich: „Kein Schuldanerkenntnis“.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte vor der Verhandlung erneut auf die Gefahr hingewiesen, die von Reichsbürgern ausgeht. Den Angehörigen der Bewegung fehle es auch an Respekt vor Polizisten, sagte der niedersächsische GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff.

Lebenslange Haft wegen Polizistenmordes für Reichsbürger

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    In einem besonders drastischen Fall hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth am Montag einen „Reichsbürger“ wegen tödlicher Schüsse auf einen Polizisten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der 50-Jährige hatte vor einem Jahr bei einem Polizeieinsatz auf Beamte geschossen. Dabei starb ein Polizist, zwei weitere wurden verletzt. Die Beamten sollten helfen, die Waffen im Haus des „Reichsbürgers“ zu beschlagnahmen. (dpa)