Berlin. Christopher von Deylen ist als „Schiller“ der erfolgreichste deutsche Elektromusiker. Jetzt ist er auf Tour – rastlos wie sein Vorbild.

Wenn Deutschland bekanntester Elektro-Musiker an Udo Jürgens denkt, bekommt er leuchtende Augen. Christopher von Deylen, der als „Schiller“ zehn Alben veröffentlicht hat, traf vor ein paar Jahren den Komponisten und Sänger bei einer TV-Aufzeichnung. „Wenn es überhaupt jemanden gibt“, sagt er, „der wirklich alles erreicht hat an Wandlungsfähigkeit, an Erfolg, aber auch mit Inhalten und dabei immer mit einer Haltung, dann war das Udo Jürgens.“

Deylen hatte vom Jürgens-Song „Ich weiß, was ich will“ einen Remix gemacht, und so kamen die beiden Musiker-Kollegen damals ins Gespräch. „Ich konnte in seinen Augen das blanke Entsetzen erkennen, dass er keine Zeit mehr hat, um all die Dinge zu tun, die er möchte.“ Diese gleiche Rastlosigkeit, sagt Deylen, spüre er auch in sich selbst.

„Schiller“ startete seine Karriere in den 90ern

Seit fast 20 Jahren ist der mittlerweile 47-Jährige jetzt als Elektromusiker „Schiller“ unterwegs, seine Konzerte gelten vor allem wegen ihrer Lichtshow als spektakulär. Mit sieben Jahren bekam er vom Großvater daheim in Visselhövede (Niedersachsen) ein Klavier geschenkt. Sein Klavierlehrer mochte elektronische Musik und so hörte der junge Deylen neben Mozart und Mendelsohn auch Kraftwerk und Kitaro. Seine ersten Alben in den 90er-Jahren trafen den Nerv der Zeit und auch danach landeten fast alle auf Platz 1.

Neben dem mittlerweile verstorbenen Udo Jürgens machte er weitere aufwendige Co-Produktionen mit dem Pianisten Lang Lang, der Sopranistin Anna Netrebko, Thomas D., Mike Oldfield oder Sarah Brightman. Den Songtext zum Lied „For you“ von seinem letzten Album „Future“ schrieb die US-Schauspielerin Sharon Stone.

Von Deylen lebt seit Jahren überwiegend im Tourbus

Auf seine Zusammenarbeit mit dem Künstler Xavier Naidoo, der inzwischen wegen seiner Verschwörungstheorien umstritten ist, kann man ihn noch ansprechen. Lächelnd sagt Deylen dann: „Es gibt Gäste im Hotel Schiller, die bleiben im übertragenen Sinne eine Nacht, und dann geht ihre Reise weiter.“ Er möge Naidoos Musik noch immer, sagt er, und ergänzt: „Alles andere ist Privatsache.“

Jetzt geht Christopher von Deylen wieder auf Deutschland-Tour. Doch eigentlich lebt er ohnehin seit drei Jahren im Tourbus. „Für mich ist das die größte Form von Freiheit, Tag für Tag durch die Welt zu reisen und nicht genau zu wissen, was die Woche noch bringt.“

Immer auf der Suche nach dem „Weltenrauschen“

Natürlich suche auch er nach Halt im Leben, aber dazu brauche er eben keinen Kühlschrank oder ein eigenes Sofa. „Ich bin außerdem sehr gern allein“, sagt der Single, „besonders in den frühen Morgenstunden, wenn ich das Weltenrauschen ordnen kann.“

So redet er wirklich: Worte wie „Weltenrauschen“ kommen ihm ganz selbstverständlich über die Lippen. Überhaupt spricht er sehr konzentriert, in langen Sätzen. Dafür muss er sich nicht anstrengen, das ist sein Normalzustand. Sein Tonstudio in Berlin ist aber so neonbunt, dass selbst ein ernster Typ wie er kurz lachen muss, als er es sieht. „So stellen sich Leute in Köln Berlin vor“, sagt er.

Morgens um 4 Uhr beginnt die Arbeit

Beim Arbeiten umgibt er sich gern mit anderen Kreativen, ohne dass immer etwas entstehen muss. So aber finde er das Wichtigste: Inspiration. „Das Komponieren ist harte Arbeit“, erzählt er. Morgens um 4 Uhr heißt es: hinsetzen, einatmen, ausatmen, arbeiten. Nur der Song „Berlin Moskau“ entstand in einer Viertelstunde. Die Melodie überkam ihn, der Rhythmus erinnert an eine Lokomotive. Wieder ist da dieses Treibende, Rastlose wie bei Udo Jürgens. Er eröffnet sein Konzert mit genau diesem Song. Deylen sagt zweideutig: „Damit zeige ich mich schließlich dem Publikum.“