Berlin. Drohnen können eingesetzt werden, um Ertrinkenden zu helfen oder Vermisste zu finden. Doch die Flugsicherung sieht dabei auch Gefahren.

Der erste Praxistest findet auf einer niedersächsischen Elbinsel statt. Rettungseinsatz zu Probezwecken in unwegsamem Gelände: Ein Junge ist verschwunden. Nun suchen die Helfer das Schilf ab. Normalerweise eine aufwendige Angelegenheit, die viel Zeit kostet. Doch vor den Journalisten lässt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) einfach eine Drohne aufsteigen.

Sie kreist – ausgestattet mit einer Wärmebildkamera – über dem Schilf, spürt das Kind schon nach wenigen Augenblicken auf und sendet die Positionsdaten auf einen Bildschirm in der Einsatzzentrale. DLRG-Mann Robert Rink ist beeindruckt von den neuen technischen Möglichkeiten: „Die Drohne konnte ein Riesen-Areal für uns abarbeiten.“ Im Ernstfall hätte das ein Leben retten können.

Drohnen waren bislang vor allem eine Spielerei elektronikbegeisterter Hobbyfotografen, doch mittlerweile können die Dinger Leben retten. Medikamente auf entlegene Inseln bringen, Blutkonserven transportieren, Vermisste aufspüren – die Ziele sind ambitioniert. „Der Einsatz von Drohnen im karitativen Bereich hat in letzter Zeit massiv zugenommen“, sagt Philipp Wrycza vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund. Das Problem: Die Rechtslage ist kompliziert.

Drohnen könnten sogar Vermisste aus dem Wasser ziehen

Zudem müssen autonome Drohnen weite Strecken zurücklegen und daher auch außerhalb der Sichtweite des Piloten fliegen können. Beim Test auf der Elbinsel nahe Hamburg experimentierten Entwickler nun mit neuer Technik. Sie statteten die Fluggeräte mit einem eigens entwickelten Mobilfunkmodul und GPS aus. Diese übermittelten Bilder und Position der Drohne in Echtzeit an eine Bodenstation. Eine kleine Sensation, denn laut DLRG war es das erste Mal in Deutschland, dass eine Drohne autonom außer Sichtweite geflogen ist.

Zwar setzt die DLRG schon länger ferngesteuerte Fluggeräte bei der Suche nach Vermissten ein. Doch wenn sich die neue Technik in weiteren Tests bewährt, könnten Drohnen in wenigen Jahren einen enormen Bedeutungsaufschwung erfahren. „Unsere Vision ist, dass Drohnen in Zukunft auch Menschen aus dem Wasser ziehen können“, sagt Achim Wiese von der DLRG.

Eine andere Einsatzmöglichkeit wurde während des Sommers auf der Insel Usedom erprobt. Dort setzte das Rote Kreuz Rettungsdrohnen ein, die Ertrinkenden in der Ostsee helfen. Geriet ein Schwimmer in Not, rückte die Drohne aus und warf eine zusammengefaltete Schwimmhilfe ab.

Retter in Notfällen durch schwieriges Gelände lotsen

An der französischen Atlantikküste sind bereits einige Exemplare im Einsatz, ausgestattet ebenfalls mit einer aufblasbaren Schwimmhilfe und einer Kamera. Und in Österreich testet das Rote Kreuz eine Drohne, die auf dem Dach eines Geländewagens verstaut ist. Sie kann während der Fahrt starten und soll die Retter in Notfällen durch schwieriges Gelände zu den verletzten Opfern lotsen.

„Es passiert gerade wahnsinnig viel“, sagt Fraunhofer-Mann Wrycza. Zurzeit werden Drohnen in der Öffentlichkeit jedoch vor allem als zunehmendes Sicherheitsproblem wahrgenommen. 14 Zwischenfälle meldeten Piloten in der Umgebung großer Flughäfen im Jahr 2015. Ein Jahr später waren es schon 60. In diesem Jahr sind es nach Angaben der Deutschen Flugsicherung bereits 71.

Die Zahl der Drohnen nimmt massiv zu

Die Deutsche Flugsicherung geht davon aus, dass in Deutschland schon heute eine halbe Million Drohnen durch die Luft surren. „Bald wird die Zahl die der bemannten Flugbewegungen überschreiten“, glaubt Thomas Pöggel von der Telekom. „Das bedeutet ein großes Gefahrenpotenzial.“ Deshalb müssen die Unternehmen alle Eventualitäten testen. Drohnenexperte Philipp Wrycza warnt etwa davor, dass autonome Fluggeräte unkontrolliert herumirren könnten, wenn das GPS-Signal abreißt. „Das ist selten, aber jedes technische System kann ausfallen.“

Doch die Gefahren hält er für vertretbar. Vor allem, wenn es darum gehe, Menschenleben zu retten. Das Potenzial von Drohnen sei riesig – nicht nur in Deutschland. „Mich erreichen fast wöchentlich Anfragen aus Afrika. Dort setzt man große Hoffnungen in Drohnen, wenn es darum geht, Blutkonserven von einem Krankenhaus zum anderen zu bringen.“