Berlin. Georg Stefan Troller, einst TV-Journalist, denkt mit 95 Jahren noch nicht ans Aufhören. Er hat seinen „Traum von Paris“ veröffentlicht.

Es ist ein spätherbstlicher Morgen. Der Himmel klar, die Luft frisch. Georg Stefan Troller, ehemaliger Fernsehjournalist, Dokumentarfilmer und Promi-Reporter, mag diesen Spätherbst, weil er viel mit seinem Lebensgefühl zu tun hat.

95 Jahre ist er alt. Und hat soeben ein Buch über sein Leben in der französischen Metropole herausgebracht – mit Gedichten großer Poeten, aber vor allem mit Hunderten von Fotos aus sechzig Jahren. „Ein Traum von Paris“ (Corso, 19 Euro) ist eine Einladung in eine Welt, die es so nicht mehr gibt: kein Reiseratgeber, sondern ein Schwärmen über alte Gebäude und Schlupfwinkel, über Treppchen und Passagen, die für ihn den Charme dieser Stadt ausmachten.

Die Idee dazu kam ihm per Zufall, erzählt er beim Treffen in Berlin. Seine Tochter fand die Fotografien vor ein paar Monaten bei ihm unterm Bett. „Ich hatte alles längst vergessen.“ Das Alter? Da zeigt er sich empört. „Ich empfinde mich nicht als alt“, ruft er, doch habe ihn das Alter schon an seltsame Plätze geführt: „Noch kürzlich war ich auf dem Montmartre-Friedhof, um das Grab zu inspizieren, das ich dort reserviert habe, zu Füßen von Heinrich Heine. Obwohl meine Frau lieber am Montparnasse-Friedhof reserviert hätte, wo mehr Prominente liegen. Aber da war alles ausverkauft.“

Anekdoten aus einem bewegten Reporterleben

In seinem Buch stehen andere Plätze im Vordergrund, Orte mit eigenwilligem Charme. Die Rue Mouffetard zum Beispiel, eine der ältesten Straßen von Paris. Er beschreibt sie als „ein Gedicht für alle Sinne“, zusammengesetzt „aus Taubengrau, Rettichrot und Orangenorange, aus Marktschreien, Kussschmatzen und Schimpfgebrüll, aus Fliederduft, Karpfengeruch, Fäulnisgestank“. Trollers Leidenschaft für Sprachbilder und dafür, seine Liebe für Frankreich der ganzen Welt zu erklären, geht zurück bis ins Jahr 1962, als er für den WDR mit seinem berühmten „Pariser Journal“ begann.

Der gebürtige Wiener, der 1938 als Jude vor den Nazis fliehen musste, wirkt heute wie ein Mann, der gerne über die kleinen Dinge redet, über die gute Luft, über das Laub der Bäume. Ob man im Alter demütiger wird? „Ich bin gottgläubiger geworden. In dem Sinne, dass man das Göttliche als eins spürt mit der Natur und dem Kosmos.“ Er lächelt, das Alter habe noch andere Schwerpunkte: „Man braucht viel länger am Morgen, bis man richtig in Fahrt kommt. Und bis man die ganzen Tabletten geschluckt hat.“ Bei ihm klingt das witzig, wie überhaupt vieles witzig klingt, weil er an einem guten Tag gerne Anekdoten aus seinem Reporterleben erzählt.

Absage an „Stern“-Chef Henri Nannen

Wie er als junger Journalist den Maler Picasso interviewen wollte und der ihn beschimpft habe. Wie ihn der Schauspieler Marlon Brando an der Tür abfing und rief: „Zischen Sie ab, aber dalli.“ Wie er Henri Nannen, dem „Stern“-Chef, am Telefon eine Abfuhr erteilte: „Ich sollte regelmäßig für ihn Interviews mit Prominenten machen, für 3000 Mark das Stück. Das war damals mächtig viel Geld. Und was sagte ich? ,Unter 4000 nichts zu machen.‘“ Für ihn heute die größte Dummheit.

Seine Lieblingsanekdote ist die, wie er Frankreichs Ikone Brigitte Bardot interviewte. „Madame, was war der schönste Tag in Ihrem Leben?“, habe er sie gefragt, und sie habe geantwortet: „Es war eine Nacht.“ „Und was trugen Sie in jener Nacht?’“ „Lippenstift.“ Er schob nach: „Was war die dümmste Frage, die man Ihnen je gestellt hat?“ Sie antwortete: „Diese.“ Troller liebt die bescheidene Inszenierung. Er ist ein Mensch, der groß wird, indem er sich kleinmacht. Eine Seltenheit.