Berlin. Der Zwergstaat Fidschi leitet im November die Weltklimakonferenz. Ein Thema rückt in den Fokus: Migration als Folge globaler Erwärmung.

Nichts ist mehr so wie früher in Narikoso. In dem Dorf auf der zweitgrößten Fidschi-Insel Vanua Levu wütet die Flut jetzt jeden Tag. Sie durchbricht schützende Mauern, umspült Häuser und hinterlässt stinkende Lachen, wo einst Gemüsebeete prächtig gediehen. Die Palmen tragen nur noch Kokosnüsse so groß wie Tischtennisbälle, auch das Trinkwasser schmeckt salzig. Einige Hütten am Strand sind verlassen und versinken im Meer. Fünf bis sieben Meter, schätzen die Bewohner, hat ihr Atoll im Südpazifik in den letzten Jahren an Boden verloren. Und es geht immer schneller. Solche Bilder und Botschaften sind zuhauf im Internet zu finden – Hilfsorganisationen und Medien schicken sie um die Welt.

Für die Fidschi-Inseln, die in diesem Jahr die Präsidentschaft der UN-Klimakonferenz (COP) in Bonn übernehmen werden, ist der Klimawandel sehr real. Nicht wenige der 332 Inseln des Archipels sind infolge des steigenden Meeresspiegels vom schleichenden Untergang bedroht. Fidschis Premierminister Frank Bainimarama verspricht: „Als erster COP-Präsident eines kleinen Inselentwicklungsstaates werde ich alles, was in meiner Macht steht, tun, um die Krise der globalen Erwärmung zu bewältigen.“

Die Finanzfrage ist besonders heikel

Fest steht, dass vor allem die ärmeren Nationen Opfer des Klimawandels sind und damit diejenigen, die am wenigsten zum Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beigetragen haben. So wird in Bonn wieder vor allem um Geld gefeilscht werden: Dollar, die armen Ländern wie den Fidschi-Inseln ermöglichen sollen, sich vor Klimafolgen wie Dürren oder Überflutungen zu schützen. Die Finanzfrage ist diesmal besonders heikel: Die COP 23 ist die erste UN-Klimakonferenz nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Vertrag. Und da US-Präsident Donald Trump die Einzahlung in den Klimafonds stoppen ließ, ist fraglich, wie die Mittel zukünftig zusammenkommen sollen.

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    Ein Thema bekommt in Bonn - auch angesichts der Verwüstungen der aktuellen Hurrikan-Saison – eine größer werdende Aufmerksamkeit: Vertreibung durch den Klimawandel. Die zerstörerischer werdenden Kräfte der Natur, so folgern die Experten, zwingen immer mehr Menschen dazu, aus ihrer Heimat zu fliehen. Ein Thema, für das sich eine spezielle Arbeitsgruppe auf der COP gebildet hat.

    „Tragweite des Problems wird unterschätzt“

    Nach einer aktuellen Studie der Universität Hamburg handelt es sich bei den sogenannten Klimaflüchtlingen um eine erschreckend hohe Zahl. Demnach mussten allein 2015 fast 20 Millionen Menschen als Folge von Umweltkatastrophen ihre Heimat verlassen. Das sind mehr als doppelt so viele als jene, die vor Krieg und Gewalt geflohen sind. Das Internal Displacement Monitoring Center (IDMC) in Genf geht von noch höheren Zahlen aus. Danach würden viermal mehr Menschen durch Naturkatastrophen vertrieben als durch Konflikte. „Die Tragweite des Problems wird unterschätzt“, schreibt der Autor der Hamburger Studie, Cord Jakobeit.

    Das Problem: Laut Forschern ist es sehr schwer, die Vertreibung von Menschen wegen Klima- und Umweltfaktoren von anderen Beweggründen zu isolieren. Im subsaharischen Afrika etwa führten lange Hitzeperioden und Dürren zu Nahrungsmittel- und Wasserknappheit, die Menschen verschlimmern dies, indem sie Weiden und Wälder übernutzen. Es kam zu Verteilungskämpfen und Konflikten. Am Ende standen Flucht und Vertreibung. Viele „Kriegsflüchtlinge“ müsse man deshalb „Klimaflüchtlinge“ nennen, schlussfolgert Jakobeit.

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      Weltmarktpreis für Weizen sprunghaft gestiegen

      Eine weitere Herausforderung für Wissenschaftler: Wie können die ökonomischen Kosten der globalen Erwärmung überhaupt erfasst werden? Katja Frieler, die stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, hat mit einem Team von Potsdamer Wissenschaftlern analysiert, warum in den vergangenen Jahren der Weltmarktpreis für Weizen immer wieder sprunghaft anstieg. Die Erkenntnis: Nicht Spekulationen auf Rohstoffmärkten oder der Biosprit-Anbau waren für Preisexplosionen im Welthandel mit Weizen verantwortlich – Treiber der Preise waren hauptsächlich Ernte-Schocks, die durch extreme Wetterereignisse ausgelöst wurden.

      Bis zum Jahr 2100 könnte ein Fünftel der Weltbevölkerung zu Klimaflüchtlingen werden – wenn die globale Erwärmung ungebremst weitergeht. Davor warnen US-Wissenschaftler der Cornell University und der Kentucky University. Wie sie ermittelt haben, könnten vor allem die steigenden Meeresspiegel eine wahre Völkerwanderung auslösen. Davon betroffen sind vor allem Länder Südasiens, Ostasiens und des Pazifiks. Der Wasserspiegel des Pazifiks steigt und steigt – mit 1,2 Zentimetern pro Jahr um mehr als das Dreifache des globalen Durchschnitts.

      Hilfe bei notwendigen Umsiedlungen

      Und so verhandelt die „Alliance of Small Island States“ auf den UN-Klimagipfeln über nichts anderes als das eigene Überleben. Das Bündnis besteht aus insgesamt 40 kleinen Insel- und niedrig liegenden Küstenstaaten auf der ganzen Welt, darunter die Dominikanische Republik, Singapur, Kuba oder die Seychellen und Malediven. Die Schicksalsgemeinschaft fordert, dass sich allen voran die Industriestaaten langfristig um den Schutz ihrer sensiblen Regionen kümmern sollen. Dazu gehört auch Hilfe bei notwendigen Umsiedlungen von Bewohnern in höhere Regionen.

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        Die Bewohner des pazifischen Inselstaats Kiribati haben diesen Kampf so gut wie verloren. Schätzungen zufolge wird ein Großteil der 32 Atolle in den nächsten 30 Jahren im Meer versinken. Die Regierung Kiribatis hat nun Land auf höher gelegenen Fidschi-Inseln erworben. Dorthin sollen die 110.000 Bewohner umgesiedelt werden, wenn ihre Inseln unbewohnbar geworden sind. Zuvor hatte Kiribati die Anrainerländer des Pazifiks, Australien und Neuseeland, versucht dazu zu bewegen, seine Landsleute in größerem Stil aufzunehmen als bisher. Vergeblich.

        Daher wird in Bonn auch wieder über diese Frage diskutiert: Was passiert eigentlich, wenn ein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen das Land verliert, also im wahrsten Sinne des Wortes untergeht? In den UN-Statuten ist dieser Fall nicht vorgesehen. Ein Staat könne nicht einfach aufhören, zu existieren. Was aber, wenn doch?

        • Serie: Zur UN-Klimakonferenz in Bonn vom 6. bis 17. November erklärt die Redaktion in den kommenden Wochen die wichtigsten Themen der internationalen Klimaschutzverhandlungen. Am Domnnerstag, 12. Oktober, geht die nächste Folge online.