Salzgitter/Görlitz. Die Werte sind völlig unbedenklich, sie geben aber Rätsel auf: In weiten Teilen Europas wurde das radioaktive Ruthenium-106 gemessen.

Messstellen in diversen europäischen Ländern haben geringe Mengen des radioaktiven Stoffs Ruthenium-106 gemessen. Fachleute des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) vermuten, dass die Quelle irgendwo in Osteuropa liegt, haben aber noch keinen Beleg für ihre These.

Zunächst hatten die Experten keine Bestätigung über positive Messungen auch in Deutschland, dann kam von einer Messstelle des Deutschen Wetterdienstes in Görlitz die Nachricht: Auch dort ist der Stoff festgestellt worden – die einzige Messstation in Deutschland mit dieser Auffälligkeit.

Das Material, das in Kernreaktoren gewonnen wird, wird auch als Strahlenquelle für die Krebstherapie zur Behandlung von Tumoren am Auge eingesetzt, kommt aber auch in einigen Einheiten zur Energieversorgung von Satelliten vor.

Strahlendosis maximal um 0,01 Prozent erhöht

Der höchste Wert wurde in Wien gemessen, nach Angaben der niederländischen Strahlenschutzbehörde 42 Millibecquerel pro Kubikmeter. Die Strahlendosis sei dadurch nicht einmal 0,01 Prozent höher als natürlich, so die niederländischen Experten. Auch aus Tschechien, Polen, der Schweiz, Frankreich und Italien wurden positive Messungen bekannt. Eine offizielle Bestätigung für positive Messungen aus Rumänien gibt es noch nicht.

Anhand der Zeitfolge, wann der Stoff wo gefunden wurde, kann nach Darstellung des BfS eingegrenzt werden, wo der Stoff ursprünglich freigesetzt wurde: „Diese Rückrechnungen deuten auf eine mögliche Freisetzung in Osteuropa hin.“ Jan Lauer, Sprecher des Bundesamts, sagte, nach den Erkenntnissen seiner Behörde liege die Quelle mindestens 1000 Kilometer östlich von Deutschland. Die Quelle sei aber offenbar versiegt.

Ostwind könnte weitere Ruthenium-Spuren nach Deutschland tragen

Der Stoff verteile sich sehr breit in der Atmosphäre. Weitere Funden in Deutschland und Mitteleuropa seien wegen der Wetterlage aktuell „sehr unwahrscheinlich“, so Lauer. In Görlitz wurde das Ruthenium in einer Probe gemessen, die vom 25. September bis zum 2. Oktober gesammelt wurde. In dem Zeitraum habe es auch eine entsprechende Wetterlage gegeben. Möglich wurde der Nachweis mit einem von wenigen Spezialgeräten mit Luftstaubsammlern, an denen stündlich Hunderte Kubikmeter Luft durch Filter geleitet werden.

Nach Angaben des BfS kann ein Unfall in einem Kernkraftwerk als Ursache ausgeschlossen werden, da in einem solchen Fall mehrere verschiedene Stoffe freigesetzt würden. Es wurde aber ausschließlich Ruthenium-106 gemessen.

Jod-Wolke in Europa ging auf Störfall zurück

Bereits Ende Januar war eine radioaktive Wolke festgestellt worden, die in geringer Konzentration Jod-131 enthielt und zu positiven Strahlenmessungen in Skandinavien und Mitteleuropa geführt hatte. Im März wurde der Fall mit einem Störfall im norwegischen Forschungsreaktor Halden in Verbindung gebracht.

Experten des BfS halten den Fall aber weiter für ungeklärt. Ihre Begründung: Jod-131 zerfällt schnell. Das Jod-Isotop in dem Reaktor war schon im Oktober beim fehlerhaften Umgang mit beschädigten Brennelementen über die Lüftung freigesetzt worden. (law)