Sie haben als erstes schwules Paar in Deutschland geheiratet
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Berlin. Für sie erfüllt sich ein Traum: Karl Kreile und Bodo Mende haben als erstes homosexuelles Paar geheiratet – nach 38 Jahren Beziehung.
Im Sommer 1979 war West-Berlin noch eingemauert, Helmut Schmidt Bundeskanzler und Gloria Gaynors Disco-Klassiker „I Will Survive“ frisch in den Charts, da verliebten sich Karl Kreile und Bodo Mende auf einer Party in Berlin-Schöneberg ineinander.
2017 sitzen sie im Café „Romeo & Romeo“ im Schöneberger Szenekiez und fallen sich ins Wort, wie es sich für ein altes Ehepaar gehört. Für den Staat werden sie erst am 1. Oktober eines sein. „Dass wir jetzt noch nach 38 Jahren zusammen heiraten...“, fängt Kreile an, da wirft Mende ein: „Im hohen Alter von 60 und 59, das ist ein bisschen absurd für heterosexuelle Verhältnisse!“
Die beiden Berliner Beamten haben am Sonntagmorgen als erstes homosexuelles Paar in Deutschland geheiratet. Vor rund 100 Freunden und Angehörigen „trauten“ sich Karl Kreile und Bodo Mende im Rathaus Schöneberg. Der Start für die „Ehe für alle“.
1992 bestellten sie das Aufgebot – und wurden abgewiesen
Den ersten – vergeblichen – Gang vors Standesamt traten sie schon vor 25 Jahren an. Schwule und lesbische Paaren deutschlandweit bestellten bei der „Aktion Standesamt“ 1992 das Aufgebot – wohl wissend, dass es hoffnungslos war. Abgewiesen wurden alle, die Nachricht von der Aktion aber schaffte es an die Spitze der ARD-Tagesschau.
„Ich empfand mich als zurückgesetzt und gekränkt, dass man unsere Beziehung nicht als wert erachtet, so gesehen zu werden, wie die anderen Beziehungen auch“, erzählt Kreile. „Es wurde so getan, als ob wir nur Individuen sein dürfen, Sex-Individuen, das war`s“, fügt Mende hinzu. „Dass wir soziale Beziehungen haben, das wurde tabuisiert, das war der Skandal eigentlich. Deshalb ist unsere Generation dadurch geprägt, diesen Skandal beenden zu wollen.“
Ein Jahrzehnt später kam der Durchbruch: Im Juli 2002 bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass das ein Jahr zuvor verabschiedete Lebenspartnerschaftsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar war.
2015 lebten 43.000 „verpartnerte“ Paare in Deutschland
Kreile und Mende traten ein zweites Mal vor Standesbeamte, verließen das Rote Rathaus als Mann und Mann und schmissen „zur Hochzeit von Bodo und Karl“ eine Riesenparty, wie viele andere auch. 2015 lebten laut Mikrozensus 43.000 „verpartnerte“ Paare in Deutschland, fast die Hälfte aller 94.000 zusammenlebenden homosexuellen Paare.
Für sich und ihr Umfeld galten Mende und Kreile ab dem Tag als verheiratet, doch rechtlich eben nicht: Von Mietrecht bis Erbrecht und Steuerrecht, zur Adoption leiblicher Kinder kam die Angleichung an die Rechte heterosexueller Eheleute erst nach Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
„Die Pflichten waren vom ersten Tag an wie bei Ehepaaren, aber die Rechte waren minimal. Jedes Zugeständnis der Politik war durchgeklagt und dauerte Jahre“, sagt Kreile. „Also es war ein mühseliger, erbärmlicher Prozess, das muss man so sagen, den die Politik da veranstaltet hat.“
Paar will keine Kinder adoptieren
Nun haben die beiden erneut geheiratet – als erste in Deutschland. Als Ende Juni innerhalb weniger Tage ein scheinbar beiläufiger Satz Angela Merkels zur historischen Abstimmung im Bundestag führte, seien sie bei den Nachrichten vom Sofa aufgesprungen, erzählt Kreile. Keine drei Wochen nach Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft zur Ehe steht der fünfzehnte Hochzeitstag an.
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Viel ändern wird sich in ihrem Leben nicht: Kinder adoptieren, das bedeutendste Recht, das gleichgeschlechtlichen Paaren verwehrt blieb, wollen die beiden nicht. Aber überall in ihrem Umfeld machten sich jetzt schwule und lesbische Paare in ihren Dreißigern über das Kinderkriegen Gedanken, erzählen sie. Die neue Generation könne sich jetzt endlich anderen Problemen widmen und über die gleichen Dinge nachdenken wie heterosexuelle Mittdreißiger.
Nun sei die staatliche Diskriminierung vorbei – gesellschaftlich sei die gleiche Anerkennung noch lange nicht selbstverständlich, noch immer gebe es Anfeindungen auf der Straße, betont Mende. Aber: „Jetzt haben wir eine Situation erreicht, wo wir das erste Mal sagen können: Wir sind gleichberechtigt. Und an diejenigen, die uns angreifen, auf der Straße ganz alltäglich: Ihr habt unrecht.“ (dpa)