München/Berlin. Die Geschichte einer Flaschensammlerin, die angeblich eine hohe Strafe zahlen sollte, wird zum Netzaufreger. Doch stimmt sie überhaupt?

  • Laut einem Zeitungsbericht wurde eine Rentnerin zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil sie in einem Bahnhof Flaschen sammelte
  • Wegen des Berichts sammelte ein Mann Spenden für die Rentnerin – es kam viel Geld zusammen
  • Doch hat sich wirklich alles so abgespielt, wie es in dem Bericht steht?

Donnerstag war ein guter Tag für Anna Leeb. Die Rentnerin aus München durfte mit einem symbolischen Riesen-Scheck in die Kamera lächeln. Nutzer im Internet hatte für die 76-Jährige via Crowdfunding mehr als 7000 Euro gesammelt, nachdem eine ärgerliche Episode ihres Lebens durch die Medien gegangen war.

Mit Anna Leeb hat die Spende sicherlich nicht die Falsche getroffen. Allerdings kam die Spende offenbar zusammen, ohne dass die Hintergründe geprüft wurden. Stimmte die Geschichte, die in den Medien kursiert, tatsächlich? Unser Faktencheck:

• Warum wurde für Anna Leeb gesammelt?

Im Grunde geht alles auf einen Zeitungsbericht zurück. Die Münchener „tz“ titelte vor etwas mehr als einer Woche: „Rentnerin (76) sammelt Flaschen – Jetzt ist sie vorbestraft“. Dem Bericht zufolge war Anna Leeb verurteilt worden, weil sie gegen ein Hausverbot der Deutschen Bahn verstoßen habe.

Das Verbot sei vor zwei Jahren ausgesprochen worden, weil sie mit dem Sammeln von Pfandflaschen im Bahnhofsgebäude gegen die Hausordnung verstoßen habe. Laut Bericht wurde Anna Leeb nun zu 2000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie als Gehbehinderte eine Abkürzung durch die Bahnhofshalle habe nehmen wollen und dabei erwischt worden sei. Sie gelte nun als vorbestraft.

Den Bericht der „tz“ griffen viele andere Medien auf, unter anderem RTL und focus.de. Damit hatte die Geschichte eine riesige Reichweite und erreichte auch Lothar Schwarz. Der Mann aus Ringsheim im Schwarzwald empfand die Strafe, über die berichtet wurde, als zu hart und startete zwei Hilfs-Kampagnen für Anna Leeb.

Auf gofundme.com sammelte er Geldspenden, auf change.org startete er eine Petition, in der er „die Aufhebung der Verurteilung von Anna und die Erstattung der 2.000 Euro seitens der Deutschen Bahn“ forderte. Er bezog sich auf change.org ausdrücklich auf den Bericht der „tz“.

7000 Euro kamen an Spenden zusammen, beinahe 100.000 User unterzeichneten die Petition. Am Donnerstag postete Gofundme auf Facebook ein Bild von der Scheckübergabe.

• Wurde Anna Leeb wirklich verurteilt?

Ja, sie wurde verurteilt. Allerdings stimmen die Angaben aus den Medienberichten nicht. Die Staatsanwaltschaft München teilte auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass das Verfahren aus dem Jahr 2013 stammt. Leeb sei wegen 16 Fällen des Hausfriedensbruchs (letzte Tat Januar 2013) zu einer Gesamtgeldstrafe von 500 Euro (50 Tagessätze zu je 10 Euro) verurteilt worden.

Da sie sich aber trotz des bestehenden Hausverbotes erneut in den Hauptbahnhof begeben habe (letzte Tat Juli 2013), wurde sie aufgrund erneuter Anzeigeerstattung durch die Bahn wegen weiterer vier Fälle des Hausfriedensbruchs angeklagt und im Mai 2014 zu einer weiteren Geldstrafe von 450 Euro (30 Tagessätze zu je 15 Euro) verurteilt. Die Summe der Geldstrafen beläuft sich demnach auf 950 Euro.

Die Staatsanwaltschaft schrieb unserer Redaktion weiter: „Vorbestraft“ wäre Frau Leeb übrigens nur, wenn sie zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen oder mehr verurteilt würde. Das ist sie jedoch trotz wiederholter Verurteilungen noch nicht.

Weder die Höhe der Strafe noch der Zeitraum der Verurteilung, die im Bericht der „tz“ erwähnt werden, entsprechen damit den Tatsachen.

Zudem weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass es generell keinen „Hausfriedensbruch wegen Flaschensammelns“ gebe. „Zu einem Hausfriedensbruch kommt es dann, wenn sich jemand gegen ein ausdrücklich bestehendes Hausverbot des Hausrechtsinhabers (...) dennoch an einen bestimmten Ort begibt“, heißt es in der Stellungnahme darüber hinaus.

• Könnte es einen neuen Vorfall geben, von dem die Staatsanwaltschaft nichts weiß?

Falls ja, stimmen die Angaben der Deutschen Bahn nicht. Ein Bahnsprecher bestätigte unserer Redaktion auf Anfrage, dass es ein Hausverbot gegen Frau Leeb gegeben hat, dieses aber schon seit mehr als einem Jahr wieder aufgehoben sei.

Weiter sagte der Bahnsprecher: „Sollte sich der Vorfall wie geschildert zugetragen haben, tut uns das sehr leid. Im Interesse unserer Reisenden und vieler Bahnhofsbesucher gibt es eine verbindliche Hausordnung.“

• Das Fazit der Geschichte:

Lothar Schwarz hat Herz bewiesen, viele andere Menschen im Netz ebenso, indem sie für jemanden gespendet haben, der es offensichtlich gut gebrauchen kann. Dass die Geschichte, die die Spendenbereitschaft ausgelöst hat, nicht ganz korrekt wiedergegeben wurde, ändert daran nichts.

Allerdings zeigt der Fall einmal mehr: Im Internet geht alles sehr schnell. Und bei manchen Geschichten sollte genau geprüft werden, ob die Fakten stimmen, bevor sie für bare Münze genommen werden. (ba/bekö)