Berlin. Jürgen Prochnow spricht im Interview über schmerzende Erinnerungen und seine neue Gelassenheit. Und, warum er Amerika den Rücken kehrt.

„Das Boot“ unter der Regie von Wolfgang Peterson machte Jürgen Prochnow Anfang der Achtziger zu einem internationalen Filmstar. Nach vielen Jahren in Hollywood ist der Theater-, Film- und Fernsehschauspieler zurück nach Berlin gezogen. Entspannt und zugleich hoch konzentriert steht Prochnow (76) in der Lobby eines Berliner Hotels.

Zur Zeit ist er in einem Film zu sehen, der im Gegensatz zu den Hollywood-Filmen mit einem extrem geringen Budget gedreht wurde: In „Leanders letzte Reise“ spielt der gebürtige Berliner einen 92-jährigen Kriegsveteran, der noch einmal in die Ukraine reist, um Frieden mit seiner Vergangenheit zu machen. Für den deutschen Hollywoodstar ist diese Altersrolle auch eine Art Heimkehr, wie er im Gespräch verrät.

Ist das eine Rolle, auf die man ein Leben lang wartet?

Jürgen Prochnow: Es ist schon eine Rolle, die mich sehr herausgefordert, aber auch gereizt hat. Sie hat viel mit mir selbst zu tun, mit meiner Kindheit und den Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin. Dieser Mann, den ich da spiele, gehört zur Generation meines Vaters, und es war mir ein Anliegen, mich mit dieser Zeit und meinen Erinnerungen daran auseinanderzusetzen. Da kamen Bilder wieder hoch und der Schmerz, den ich damals gespürt habe, aber auch die Liebe. Das habe ich versucht, in diese Rolle einzubringen.

Sie wurden 1941 in Berlin geboren, Ihre Familie flüchtete mit Ihnen vor Luftangriffen, Ihr Vater war in russischer Gefangenschaft. Hilft Ihnen das beim Schauspielen oder ist dieses Erinnern sogar eher quälend?

Prochnow: Ich nutze diese Emotionen schon für die Rolle, das habe ich am Lee Strasberg Institute in Los Angeles gelernt. Die Gefühle gehören zu mir. Und es gibt Methoden, wie ich damit umgehe und es für eine Figur einsetze. So konfrontiert man den Zuschauer mit einer echten Empfindung. In diesem Fall war das eine schmerzhafte Erfahrung, weil mir noch einmal der Verlust der Menschen bewusst wurde, die ich geliebt habe.

Sie haben 2016 vor Ort in der Ukra­ine gedreht, der Konflikt auf dem Maidan wird auch im Film thematisiert. Welchen Eindruck hatten Sie von der Region?

Prochnow: Meine Frau hat zunächst gesagt: Du fährst da nicht hin, das ist viel zu gefährlich. Die Situation ist ja bis heute angespannt. Aber die Produktionsfirma beruhigte uns, man hatte Drehorte in Kiew und im Umkreis von etwa 100 Kilometern gefunden, das Krisengebiet um Donezk und Lugansk, in dem der Film spielt, liegt viel weiter östlich. Ich habe viel gelernt über die Lage dort. Wir spiegeln im Film auch ein wenig die Situation im Zweiten Weltkrieg und den Konflikt heute. Ich hoffe, dass das auch zum Nachdenken anregt angesichts der politischen Lage weltweit. Ich habe Krieg miterlebt, und er ist niemals die Lösung.

Nach dem sensationellen Welterfolg von „Das Boot“ gingen Sie nach Hollywood und hatten dort eine sehr erfolgreiche Karriere, spielten in Filmen wie „Das siebte Zeichen“. Seit 2004 besitzen Sie sowohl die deutsche als auch die US-Staatsbürgerschaft. Wie erleben Sie als Immi­grant das Trump-Amerika?

Prochnow: Ich bin froh, dass ich jetzt von dort weg bin. Ich hatte schon die acht Jahre unter Bush erlebt und mitbekommen, wie sich die Stimmung im Land verändert hat, wie Medien nach dem 11. September plötzlich ganz anders berichtet haben, auch damals wurden schon Lügen verbreitet, das war sehr bedrückend.

Warum haben Sie den USA den Rücken gekehrt?

Prochnow: Das hatte zunächst private Gründe, weil meine Frau, mit der ich seit zweieinhalb Jahren verheiratet bin, dort nicht leben wollte. Sie hat auch prognostiziert, dass Trump gewinnt, ich hätte gewettet, dass er mit all den Lügen keine Chance hat. Ich habe dann dort noch gewählt, aber sein Sieg hat mir den Abschied sehr erleichtert. Seit Anfang April leben wir jetzt in Berlin.

Haben Sie, wie im Film „Leander“, noch offene Rechnungen? Gibt es Dinge, die Sie bereuen? Oder sind Sie mit Ihrer Vergangenheit im Reinen?

Prochnow: Sicherlich bereue ich einige Entscheidungen, die ich im Leben getroffen habe, oder den einen oder anderen Film, den ich gedreht habe, aber ich habe daraus gelernt und betrachte mein jetziges Leben als ein großes Geschenk. Ich fühle mich sehr wohl in meiner neuen alten Heimat, bin finanziell unabhängig und kann es mir erlauben, einen Film wie „Leanders letzte Reise“ zu drehen. Der Druck von früher ist weg, und das ist schön.