Tunis . Das gebeutelte Tunesien will neue Touristen anlocken. Die leidenschaftlichen Winzer sollen mit einer neuen Weinstraße dabei helfen.

Munter klickern die leeren Flaschen. Für Sekunden strömt der Wein, dann folgen Korken und Etikett, bevor der fertige Soltane Rosé aus der Abfüllmaschine in den weißen Sechserkartons verschwindet. Ein Hotelkunde braucht Nachschub, also wird auf dem in den Hügeln am Mittelmeer gelegenen Weingut Kurubis trotz Erntestress noch eine Extraschicht draufgepackt. Das Anwesen liegt nicht in der Toskana oder in Südfrankreich, sondern am Rand der Stadt Korba im Osten Tunesiens.

Für das nordafrikanische Land steht in diesem Herbst eine große Premiere bevor: Tunesien startet seine eigene Weinstraße, die erste überhaupt in einem arabischen Land, dessen Religion Alkohol verbietet. Für die Besucher soll sie den heutigen Wein, die antike Archäologie und die traditionelle punische Küche miteinander verknüpfen. „Der Wein gehört seit 2500 Jahren zur Kultur unseres Landes – das wissen viele Europäer nicht“, sagt Mohamed Ben Cheikh, Chef des Verbandes der Produzenten von Alkoholgetränken und einer der treibenden Kräfte.

Die Hinweisschilder mit den roten Logos sind bereits aufgestellt. Stolz verweisen die Organisatoren auf den genialen Namensgeber ihrer Route. Der Katharger Magon schrieb vor 2300 Jahren eine 28-bändige Enzyklopädie über Landwirtschaft und Weinbau seiner Heimat, das wichtigste Standardwerk der Antike.

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    Von Anschlägen gebeutelter Tourismus

    Drei Tagesetappen über 120 Kilometer soll es zunächst geben. Von Tunis führt der Magon-Weg in die Winzerregion um das Städtchen Grombalia zu dem Gut Neferis. Am Schluss steht das Gut Kurubis auf der Halbinsel Kap Bon zusammen mit der Weltkulturerbe-Stadt Kerkouane. Mit 700.000 Euro fördert die Europäische Gemeinschaft die neue Weinstraße, bei der die Besucher auf Sizilien beginnen und dann nach Tunesien übersetzen.

    Es ist auch eine Frage des Überlebens für den von Anschlägen gebeutelten Tourismus: Die neuen Touren sollen Tunesien als Reiseland für Kulturinteressierte attraktiver machen, weg vom Pauschalurlauber-Image und der Alles-inklusive-Monotonie. „Nach Attentaten wie in Paris oder Barcelona bricht der Tourismus in diesen europäischen Zielen nicht in gleicher Weise ein“, bilanziert ein Hotelier, weil dort die Besucher aus den unterschiedlichsten Motiven anreisten. „Bei uns dagegen herrscht eine Art Monokultur.“

    Der tunesische Wein hat kein Image

    Reben auf der Halbinsel Kap Bon in Tunesien.
    Reben auf der Halbinsel Kap Bon in Tunesien. © Corbis via Getty Images | Nicolas Fauqué

    32 Millionen Flaschen pro Jahr werden in Tunesien produziert. 20.000 Menschen sind in dieser Branche beschäftigt, mit 9400 Hektar sind die Rebflächen etwa so groß wie an der Mosel. Reaktiviert wurde der antike Weinanbau im späten 19. Jahrhundert durch französische und italienische Siedler. Nach der Unabhängigkeit enteignete Tunesien die meisten Güter. Erst im Jahr 2000 wurden private Winzer wieder in breiterem Maße zugelassen. Und so entstanden die meisten der heutigen Vorzeigebetriebe in dieser Phase, wie auch das zur neuen Magon-Route gehörende Gut Neferis nahe Grombalia.

    Kellermeister Rached Kobrosly, der die Produktion von jährlich 1,3 Millionen Flaschen steuert, studierte Önologie an der Universität Bordeaux. „Das Problem von Tunesiens Wein ist, er hat kein schlechtes Image, er hat überhaupt kein Image“, schmunzelt er, dessen Betrieb 50 Mitarbeiter beschäftigt. „Unser Wein ist zu wenig bekannt – und das wollen wir ändern.“ Mit Islamisten, versichert er, gab es bislang keinerlei Probleme. „Wir sind seit drei Jahrtausenden ein multikulturelles Land“, sagt er. „Unsere Geschichte der Vielfalt ist genauso lang wie unsere Geschichte des Weins.“

    Wein soll auch Freude und Frieden vermitteln

    Der Besitzer des Weinguts Kurubis, Didier Cornillon, ein Franzose, bewirtschaftet mit seinem tunesischen Partner gut 20 Hektar und produziert 130.000 Flaschen im Jahr. Als Einziger im Land stellt er auch einen Champagner her. Mit Tunesien fühlt er sich tief verbunden.

    Nach den Attentaten von Bardo und Sousse antwortete er auf den Terror mit einem neuen Wein. „Kiss“ nannte er den Cuvée, auf dessen Etikett er den Chanson „Wenn man nichts als die Liebe hat“ von Jacques Brel drucken ließ. „Freude und Frieden, das sind die Werte, die wir mit diesem Wein vermitteln wollen“, schrieb Cornillon als Kommentar darunter.