Washington . Werner Herzog ist einer der bedeutendsten Vertreter des Autoren-Kinos. Sein Leben gleicht einer Inszenierung exzentrischer Episoden.

Es geschieht nicht oft im Leben eines Filmregisseurs, dass ihm während der Dreharbeiten die Ermordung des Hauptdarstellers angeboten wird. Als Werner Herzog 1981 in den von Hitze und Moskitos geplagten Urwäldern Perus bei den Aufnahmen zu „Fitzcarraldo“ an der ins Wahnsinnige changierenden Egozentrik seines Hassliebchens Klaus Kinskis verzweifelte, war es soweit. Der Häuptling der Indianer, die fürs berühmte Schiff-über-den-Berg-am-Amazonas-Schleppen angestellt waren, bot dem 1942 im oberbayrischen Sachrang geborenen Leinwandextremkletterer an, Kinski um die Ecke zu bringen. Nachvollziehbar.

Der zu Lebzeiten an Größenwahn leidende Mime, der Herzog bereits in „Aguirre – der Zorn Gottes“ (1972) und „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1978) alles abverlangt hatte, mutierte zum um sich schießenden Ekelpaket ersten Ranges. Doch Herzog blieb bajuwarisch gefasst. „Ich habe das abgelehnt“, erinnerte sich der vielleicht bedeutendste lebende deutsche Filmemacher, „aber natürlich habe ich es schon im nächsten Moment bereut.“

„Time Magazine“ wählte ihn unter die „100 einflussreichsten Menschen“

Am heutigen Dienstag wird der Regisseur, der stets bis ans Ende geht und dann noch einen Schritt weiter, in seiner Wahlheimat Los Angeles 75 Jahre alt.

In den USA, wo Herzog seit fast 20 Jahren lebt, ist der Mann mit der unverwechselbaren Stimme Kult. Im Jahr 2009 listete ihn das „Time Magazine“ unter die „100 einflussreichsten Menschen der Welt“, damals als einzigen Deutschen neben Kanzlerin Angela Merkel.

Für seine Antarktis-Dokumentation „Encounters at the End of the World“ bekam Herzog eine Oscar-Nominierung. Sein Film über den Bären-Versteher Timothy Treadwell („Grizzly Man“) gilt als Meisterwerk des Menschen-in-Grenzsituationen-Genres. Cineasten stellen ihn bereits mit Titanen des Minimalistischen wie Christopher Walken und Bill Murray auf eine Stufe. Der dreifache Vater, der in dritter Ehe mit der Fotografin Lena Herzog (47) verheiratet ist, hat Bücher geschrieben, Opern inszeniert und mehr als 60 Filme gedreht. Wenn Werner Herzog zu seiner an ausgewählten Wochenenden stattfindenden Rogue-Filmschule ruft, bewerben sich in den ersten Stunden Tausende.

Antarktis-Dokumentation brachte ihm eine Oscar-Nominierung ein

An der Seite von Tom Cruise in der Lee-Child-Verfilmung eines Jack-Reacher-Romans ließ Herzog als finsterer Gulag-Bösewicht „The Zec“ mit sonorem Ton das Publikum frösteln. So wie die Kritiker, als er im Jahr 2009 mit Nicolas Cage ein Remake von „Bad Lieutenant“ ablieferte. Worauf ihm der pikierte Regisseur des Originals, Abel Ferraras, einen langen, qualvollen Tod wünschte. Und Herzog kalt zurückgab: „Ferrara, wer ist das? Ein italienischer Regisseur?“

Gerade mal 24 Jahren alt, drehte Werner Herzog seinen ersten Spielfilm „Lebenszeichen“, der prompt den Silbernen Bären der Filmfestspiele von Berlin gewann. Damals wie heute geht er den Dingen, die ihn verstören oder faszinieren, auf den Grund. Der Mann, der kein Handy besitzt, kann zum Beispiel dem Phänomen Internet und sozialen Medien nichts abgewinnen. Ein Technikfeind ist er trotzdem nicht.

Mit Handys und sozialen Medien will Werner Herzog nichts zu tun haben

Die Weltall-Ambitionen des Techno-Tausendsassas Elon Musk, der nach E-Autos bei Tesla irgendwann auch die Fahrt zum Mars massentauglich machen will, findet Herzog im Prinzip verlockend, „wenn man denn mit der Kamera dabei sein könnte“. Dass Musk den roten Planeten besiedeln will, hält er dagegen für einen Schmarrn. „Wir sollten uns um die Bewohnbarkeit der Erde kümmern.“

Hier hat Herzog, der Disziplin mit nie versiegender Kreativität verbindet, noch jede Menge zu tun. Unsterblich ist er ja schon. Im Jahr 2006 wurde er während eines Fernsehinterviews von einem Mann mit einer Schrotflinte angeschossen. Werner Herzog ging damals nicht einmal ins Krankenhaus.